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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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der Gegenstand seiner Heiterkeit ist in der Regel nicht besonders amüsant. Unterdessen hörte ich in meinem Kopf: Wir haben jetzt beide eine neue Beschäftigung, mein lieber Tim. Eine, bei der du dich fühlen wirst wie ein Fisch im Wasser, und kämpfte gegen das widersprüchliche Verlangen an, mich zu ärgern und zugleich selbst loszulachen.
    »Muss ich mir etwa«, zischte Dr. Palsgrave meinem Bruder zu, »wirklich die ... die Unverschämtheiten dieses Burschen anhören?«
    »Ja, aber nur, solange er sich besser auf die Medizin versteht als Sie. Red weiter, Tim. Wo kommt dieser kleine Knirps wohl am wahrscheinlichsten her?«
    »Entweder aus einem respektablen Haus oder aus einem Bordell«, sagte ich langsam. »Aber selbst wenn er seine Hände gewaschen hat, sieht sein Teint überhaupt nicht nach einem Sommer an der frischen Luft aus. Er ist sehr blass. Wollen Sie uns nicht verraten, woran er Ihrer Meinung nach gestorben ist, Dr. Palsgrave?«
    Während die Zornesröte allmählich aus seinem Gesicht wich, beugte sich der Doktor widerstrebend erneut über die Leiche. Wir hatten keinerlei Werkzeug für ihn, also legte er seine Manschetten ab und tastete die Leiche mit den Fingern ab, während mein Bruder hinter ihm stand und zur Ermunterung sein finsterstes Gesicht aufsetzte. Der Doktor zog das Augenlid des Toten zurück, griff in die Brusthöhle, beugte sich tief zu dem Jungen hinunter und roch an seinen Lippen. Aus all seinen Gesten sprach Ehrfurcht, Respekt vor dem, was einmal ein Kind gewesen war. Schließlich drehte er sich um und wusch sich die Hände in dem steinernen Waschbecken neben dem Tisch.
    »Nur noch schwach sichtbare Zeichen auf dem Körper weisen darauf hin, dass er vor etwa einem Jahr an Varizellen erkrankt ist. Das sind die Windpocken, und die sind hoch ansteckend. Um seine Gesundheit war es nicht allzu gut bestellt. Er ist, wie Sie sagten, ein Junge, der auf Hygiene geachtet hat – jedoch ist er recht dünn, und seine Lungen weisen darauf hin, dass er zu seinem Todeszeitpunkt an einer schweren Lungenentzündung litt. Ich würde geradeheraus behaupten, dass wir es dabei mit der Todesursache zu tun haben, denn es gibt keine Anzeichen von Gewaltanwendung gegenüber seiner Person außer diesen postmortalen Verletzungen, aber ich kann keine vollständige Gewissheit haben.«
    Er räusperte sich. Zögerte.
    »Seine Milz ist ... sie fehlt, das ist ganz gewiss recht ungewöhnlich. Sie könnte allerdings von einer Ratte entfernt worden sein. Es gibt klare Anzeichen dafür, dass seine Leiche über den offenen Bauchraum von Ungeziefer befallen wurde.«
    Als Zeichen der Anerkennung für gutes Betragen breitete Valentine die graue Decke wieder über das namenlose Kind. Der arme Junge hatte den Geruch von totem Fleisch zurückgelassen, das noch nicht zu verwesen begonnen hatte. Und, was mich betraf, auch eine schnell wachsende Abneigung gegen unbeantwortete Fragen.
    »Sind Sie sich also ganz sicher, dass Sie dieses Bürschlein noch nie behandelt haben – in einem Krankenhaus oder in irgendeinem Privathaus?«, hakte mein Bruder nach.
    »Ich behandle Tausende von Kindern, und nur wenige meiner Kollegen sind willens, mir zu assistieren. Weshalb man nun von mir, einem Doktor der Medizin, erwartet, dass ich mich an jedes einzelne Gesicht erinnere, vermag ich nicht zu sagen«, schnaubte Dr. Palsgrave, während er sich die Hände abtrocknete. »Sie täten besser daran, einen Armenpfleger der Fürsorge zu fragen. Ich wünsche Ihnen beiden einen guten Tag.«
    »Welcher Armenpfleger wäre denn der beste?«, fragte Val mit einem Lächeln, das besagte, unvollendete Arbeit werde unverzüglich geahndet.
    »Jemand, der ein Auge für Gesichter hat, der vertrauenswürdig ist und willens, die Häuser von Katholiken zu betreten, natürlich«, erwiderte Dr. Palsgrave mürrisch, während er seine Manschetten wieder an die Ärmel knöpfte. »Was unter denen, die sich guten Werken widmen, eher eine Seltenheit ist. Ich würde meinen, Sie sollten Ihr Glück bei Miss Mercy Underhill versuchen. Ich arbeite oft mit Reverend Thomas Underhill zusammen, in den armen protestantischen Vierteln. Aber es gibt nicht viele, die sich an die Orte vorwagen, zu denen Miss Mercy geht, nicht einmal ihr Vater. Und jetzt zum letzten Mal: Auf Wiedersehen.«
    Seine schnellen, nervösen Schritte verhallten auf den Treppenstufen.Mit meinem Mund stimmte irgendetwas nicht. Er war knochentrocken. Wenn ich ihn jetzt bewege, dachte ich, könnte er

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