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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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Bewegung wahr, hörte gedämpfte Laute. Meine Schulterblätter kribbelten bei dem Gedanken, es könnte Mercy sein, aber auch ohne viel Licht wusste ich, sie war es nicht. Zwei Frauen standen in der Nähe der Kanzel und sortierten gespendete Kleidungsstücke, die grellbunt aus einem großen Leinensack auf einen einfachen Eichentisch quollen.
    »Das können wir zu den brauchbaren Sachen legen, was meinst du, Martha?«, fragte die Jüngere der beiden, als ich näher trat. Eine Witwe, wie ich schlussfolgerte, als ich nah genug herangekommen war, um ihren Ring zu sehen, denn verheiratete Frauen, die selbstgewebte Kleidung tragen, haben um vier Uhr nachmittags wichtigere Haushaltspflichten als das Sortieren von Spenden. Sie hatte strohiges, blondes Haar und eine flache Nase wie eine gepresste Blume, aber ihre Stimme war sanft. »Das ist noch recht gut, denke ich.«
    »Viel zu gut«, schnaubte die ältere Frau, nachdem sie einen Blick auf den schlichten roséfarbenen Nankingstoff geworfen hatte. »Jede mittellose Frau wäre in solch einem Kleid weit über ihren Stand gekleidet. Allein die Vorstellung, Amy! Leg es besser auf den Stapel für das Pfandhaus. Kann ich Ihnen helfen, Sir?«
    »Mein Name ist Timothy Wilde, ich bin Mitglied der Polizei«, erklärte ich und deutete auf den verflixten Stern.
    Etwas zwischen Neugierde und Abscheu huschte über ihr Gesicht.
    Ich ignorierte das und sagte mit einem Seufzer: »Ich muss so schnell wie möglich Miss Underhill finden.«
    »Oh! Die liebe Miss Underhill! Ist etwas geschehen?«, rief quietschend die Dame, die auf den Namen Amy hörte.
    »Ihr ist nichts geschehen. Wissen Sie, wo Miss Underhill sich aufhält?«
    Martha verzog ihr fahles Gesicht, bis es die Form einer schimmeligen Zitrone hatte. »Sie ist bei ihrem Vater im Pfarrhaus. Ich an Ihrer Stelle würde sie jetzt nicht stören!«
    »Weshalb denn nicht?«, fragte ich, schon halb im Gehen.
    In ihrer Stimme lag Schadenfreude, nur mühsam von einer dicken Schicht Tugendhaftigkeit verdeckt, als sie erwiderte: »Die beiden stritten sich – lautstark –, als sie hineingingen, und sie sollte sich seine Vorhaltungen wirklich zu Herzen nehmen. Miss Underhill hat wider allen gesunden Menschenverstand arme irische Familien gepflegt. Das wird sie noch einmal ins Grab bringen, ganz wie ihre Mutter, wenn sie mit betrunkenen Ausländernwie denen verkehrt – was glaubt sie denn, wo die Cholera herkommt? Und was soll dann aus dem Reverend werden, dem armen Mann?«
    »Fest in Gottes Hand wird er sein«, antwortete ich trocken und tippte an meinen Hut. »In der Hand Ihres Gottes natürlich, Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen.«
    Damit ließ ich die beiden mit offenem Mund stehen.
    Ich trat durch die Seitentür aus der Kirche, folgte dem kleinen Pfad durch die Apfelbäume zu der dunkelgrün belaubten Hecke, die das Pfarrhaus umgibt, und blieb abrupt stehen, als ich Mercy und ihren Vater erblickte, die drinnen in der Stube am Erkerfenster standen. Sie stritten sich, das war eindeutig. Mercys Zähne marterten ihren Daumennagel, und ihr Vater hatte eine strenge Haltung eingenommen. Es war mir in meinem ganzen Leben noch nie in den Sinn gekommen, ihnen nachzuspionieren, aber etwas in Mercys Augen ließ mich vor der Hecke innehalten – außerdem hatte das Wiedersehen mit ihr unangenehme Auswirkungen auf meinen Herzschlag.
    Aber sie sind nicht einmal wahre Christen, Mercy , sah ich ihn mit einer entschiedenen Handbewegung sagen.
    Missionare nehmen sich doch auch der Armen in Afrika an, und die Stämme dort haben mehr Götter, als sie zählen können, sagte sie und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
    Die Wilden sind bloß ungebildet, unschuldig.
    Und die Iren sind bloß arm. Ich kann nicht ...
    Der Reverend tat ein paar rasche und wütende Schritte und ich verlor seine Antwort aus den Augen. Aber was auch immer es war, es ließ Mercy rot werden wie ein Sonnenaufgang, dann schloss sie die Augen, während sie mit dem Gesicht zum Fenster stand. Ihr Vater sprach vielleicht zehn Sekunden. Als er geendet hatte, trat Thomas Underhill mit aufgewühltem Gesicht wieder in meinen Gesichtskreis und zog Mercys dunklen Schopf an seine Brust. Sie ließ es willig geschehen und umfasste seinen Arm. Es ging nicht an, diese Szene länger zu beobachten, doch bevor ich den Blick abwandte, sah ich, dass der Reverend noch etwas sagte.
    Es macht mir schreckliche Angst, sagte er. Ich würde deine Gesundheit nicht für tausend verlorene Seelen aufs

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