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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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Hand auf ihren Ellenbogen. Ich war mir in diesem Augenblick ziemlich sicher, dass ich es für sie tat und nicht für mich. Hoffte ich zumindest. »Er ist ein Strichbube, nicht wahr?«
    »Wie kommen Sie darauf?«, fragte Mercy, ihre Lippen schwerfällig und erschrocken. Sie trat einen Schritt von mir zurück und verstummte – als wüsste ich Dinge, die ich nicht wissen sollte, hätte selbst solche Orte besucht und ihr Angebot an fleischlichen Lustbarkeiten kennengelernt.
    »Nein, mein Gott, nein, ich selbst bin noch nie in so einer Lasterhöhle gewesen«, protestierte ich. »Es gab da ein paar Hinweise. Wo stammt er her?«
    Nach einer Pause sagte sie: »Er ist mir letztes Jahr in einem üblen Bordell in der Greene Street begegnet, das einer gewissen Madam Marsh gehört. Silkie Marsh. Wie haben Sie es erraten?«
    »Ich habe es nicht erraten. Ich habe eine Quelle in unterrichteten Kreisen. Ich werde Ihnen alles erzählen. Wie lautet die Adresse? Ich muss dieser Madam Marsh ein paar Fragen stellen.«
    Pfarrer Sheehy, der in aller Seelenruhe mit verschränkten Armen dabeistand, räusperte sich. »Das wird nicht leicht für Sie werden, Silkie Marsh zu befragen, denn ich kann Ihnen versichern, dass wir von St. Patrick’s schon seit langem versuchen, dieser Frau die Ehrfurcht vor der allerhöchsten Dreifaltigkeit einzuflößen, doch ohne jeden Erfolg. Wissen Sie, hin und wieder geraten ein paar irische Waisenkinder in ihre Höhle und müssen die Erfahrung machen, dass es ein hartes Stück Arbeit ist, wieder herauszukommen. Sie hat Beziehungen.«
    »Beziehungen welcher Art?«
    »Politische.« Er zog die Augenbrauen hoch und sah mich höflich, aber ungläubig an. »Gibt es denn noch andere?«
    Mercy berührte mit den Fingerspitzen das Haar des Kindes. »Kein Wunder, dass ich ihn nicht wiedererkannte. Ich habe ihn vor einem Jahr gesehen«, sagte sie zu sich selbst mit belegter Stimme. »Er ... er ist so viel älter jetzt.«
    »Sie müssen sehr vorsichtig sein, wenn Sie in dieses Bordell gehen«, riet mir Pfarrer Sheehy und legte dabei seinen vollkommen glatten Kopf bedeutungsvoll schief.
    »Soll ich Angst haben vor einer Madam, die in der Politik mitmischt?«, sagte ich spöttisch.
    »Keineswegs. Ich erwähne das bloß, weil ich nicht weiß, ob Sie sich darüber im Klaren sind, wie verärgert Ihr Bruder Valentine Wilde wäre, wenn er wüsste, dass Sie eine wichtige Unterstützerin und Spenderin der demokratischen Partei schikanieren.«
    »Eine Spenderin«, wiederholte ich, und meine Kehle fühlte sich an, als habe sich ein Angelhaken darin verfangen.
    »Oh, und eine recht mächtige noch dazu.« Pfarrer Sheehy nickte und lächelte dunkel. »Eine Wohltäterin. Man könnte sogar sagen, eine sehr persönliche Freundin.«
    Und damit ging der Priester davon, um sich seinen anderen Beschäftigungen zuzuwenden. Und ließ mich allein mit der wunderbarsten Frau, die je geboren wurde, mit einem brutal ermordeten Strabanzer, einer Zornesaufwallung, die sich sinnlos und dumm anfühlte, denn ich kannte meinen Bruder ja bereits nurallzu gut, und einem einzigen Gedanken in meinem Kopf. Nicht dem, zu Madam Marsh zu gehen und sie zu befragen, überhaupt nicht mehr.
    Die arme Bird Daly, dachte ich, würde mir die Wahrheit erzählen oder aber sie würde ungeahnte Folgen auf ihr unschuldiges Haupt herabbeschwören.

8
    Der irische Bauer hat für Verbrecher schon immer ein besonderes Mitgefühl aufgebracht, und während es ein vergebliches Unterfangen sein mag, ein so krankhaftes Gefühl erklären zu wollen, so ist es doch unbestreibar eine reiche Quelle für Frevel und Mord.
    New York Herald, Sommer 1845.
    Als ich nach Hause kam, stand Mrs. Boehm mitten in ihrer Küche hinter dem sauber gefegten Brottresen, die Hand auf die hübsche Mondsichel ihres Mundes gepresst. Sie bewegte sich nicht eigentlich, aber sie stand auch nicht einfach nur da. Es war etwas dazwischen – sie wiegte ihr Federgewicht ganz leicht vor und zurück und blinzelte dabei heftig.
    »Was um Himmels willen ist geschehen?«, fragte ich und drückte mich an der Auslage der bemehlten Brotlaibe vorbei.
    »Ich habe ihr einen Rotulmentee zu trinken gegeben«, antwortete sie gepresst, ohne mich anzusehen. »Rotulmentee ist das Beste, wenn die Körpersäfte, besonders das Blut, aus dem Gleichgewicht geraten sind. Und danach einen Breiumschlag. Das wirkt sehr gut.«
    »Ist Bird denn krank geworden?«, rief ich aus.
    »Ich habe sie rausgeschickt.« Mrs. Boehm verlagerte ihr Gewicht

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