Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
Vom Netzwerk:
sagen, die mein Mund niemals, niemals sagen würde. Solche Sachen sollte es nicht geben auf dieser Welt.
    »Und was ist letzte Nacht mit ihm passiert?«
    Bird zuckte die Schultern, das hilfloseste und am wenigsten apathische Schulterzucken, das ich je gesehen habe. »Letzte Nacht kam der Mann mit der schwarzen Kapuze.«
    »Und der Mann mit der Kapuze, das ist der Mann, der Liam wehgetan hat?«
    »Ja.«
    »Und du weißt nicht, wie er heißt?«
    »Keiner weiß das, auch nicht, wie er aussieht. Ich denke, er ist irgend so ein Wilder. Vielleicht ein Indianer oder ein Türke. Warum sollte er sonst sein Gesicht verbergen?«
    Ich konnte mir verschiedene Gründe vorstellen, die ich ihr aber nicht mitteilen würde. »Und wie kommt es, dass du so voller Blut warst?«
    Birds Mund ging zu wie eine heftig zugeworfene Tür. »Darüberwill ich nicht sprechen. Es war Liams Blut. Ich kam rein und sah ... Ich will darüber nicht sprechen.«
    Ich wollte sie schon bedrängen, dann fing ich an, mich vor mir selbst zu ekeln. Es gab genug Fragen, da musste ich nicht auf der allerschlimmsten so herumreiten. Fürs Erste zumindest.
    »Warum hat dieser Mann mit der schwarzen Kapuze Liam das angetan?«
    »Ich weiß keinen Grund. Wie ich sagte, es könnte auch ein Wilder sein. Aber ich denke, vielleicht mag er es ja einfach. Die mögen manchmal komische Sachen. Sein Schritt ist immer so leicht und schnell, als hätte er was ganz Schönes vor und nicht ... Aber er ist es, der sie alle in Stücke schneidet.«
    Mein Herz stotterte wie ein Streichholz, das man an einen nassen Docht hält. »Sie alle?«
    »Ja.«
    »Wie viele waren das denn?«
    »Dutzende.« Plötzlich begann es in ihrer Kehle zu zucken, als säße ein gefesseltes Tier darin. »Die dort leben. Ich wohne ja jetzt hier bei Ihnen.«
    »Und wie in Gottes Namen soll ich dir helfen, wenn du mir eine wüste Lüge nach der anderen auftischst?«, rief ich und fuhr mir mit den Fingern durchs Haar. »Erst erwartest du, dass ich dir glaube, du wärst vor deinem Vater davongelaufen, oder dass du versehentlich einen Mann verletzt hast oder dass du dein Hemd getränkt hast in ...«
    »Oder dass ich krank bin, ja, ja, aber jetzt ist es keine Lügengeschichte! Ehrlich, jetzt nicht«, schrie sie.
    »Bird!«, fiel ich ihr ins Wort, während meine Knochen sich ganz zerbrechlich und steif vor Erschöpfung anfühlten, »das ist unfair. Du hast mich bisher nur angelogen, und jetzt erwartest du von mir, dass ich dir glaube, dass Dutzende von Kindern von einer Art ... einer Art wahnsinnigem Kinderhasser in Stücke gehackt wurden?«
    Bird nickte, ihr perfekt trainiertes Gesicht verzog sich zitternd, ganz ohne ihre Erlaubnis. Wenn man sie so ansah, musste manunwillkürlich an ein loses Kutschrad denken, das durch zähen Schlamm und über hinterhältige Steine fährt.
    »Ohne dass es jemand gemerkt hat? Ohne dass ...« Ich verstummte.
    Wer sollte es denn gemerkt haben? Dass die Polizei gegründet wurde, war keine zwei Monate her, und bislang hatte es niemand als ein Zeichen von gutem Geschmack angesehen, wenn man Iren Gehör schenkte. Mein Gott, ich hielt es ja selbst nicht mehr für vernünftig, Bird Gehör zu schenken. Und natürlich übertrieb sie. Natürlich. Zwei oder drei ihrer Freunde wurden vermisst, und sie hatte das aufgeblasen zu Dutzenden und einem Türken mit Kapuze.
    »Wie soll ich dir denn trauen?«, fragte ich.
    Birds ganzer zehnjähriger Körper versuchte einen Schauder in Schach zu halten, einen Ausbruch des Ekels, der ganz aus der Tiefe heraufstieg.
    »Ich könnte Ihnen zeigen, wo sie begraben sind«, flüsterte sie. »Aber nur, wenn ich hier bei Ihnen bleiben darf.«
    *
    »Zwei Wochen«, hatte Mrs. Boehm gesagt, die Mundwinkel zeigten starr in Richtung ihrer Füße. Irgendwie hatten Birds Lügen ihre Haut schrumpfen lassen, so dass sie ihr um etliche Zoll zu klein schien. Wäre es ihr Kind, hätte es jetzt eine Strafe gesetzt, hatte sie dunkel gesagt, aber Bird habe wohl ihren eigenen Kopf, nicht wahr? Also zwei Wochen, dann müsse sie gehen. Es war wie eine umgekehrte Gefängnisstrafe.
    »Es tut mir leid«, hatte Bird gesagt und genommen, was sie kriegen konnte. »Vielleicht kann ich Ihnen dafür helfen. Ich könnte ja ...«
    »Zwei Wochen«, hatte Mrs. Boehm wiederholt und dann auf das Stück Teig unter ihren Fäusten eingeschlagen, als gelte es, die Sünden vieler Welten auszumerzen.
    Und jetzt gingen Bird und ich zu den Tombs, während dieHitze den Gestank von getrocknetem Pferdeurin und

Weitere Kostenlose Bücher