Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
Vom Netzwerk:
auf den linken Fuß und drehte sich halb um, bevor sie wieder zurückschwankte. »Nur die Straße hinunter, sie sollte frischen Fisch fürs Abendessen holen. Es ist nicht weit von hier, aber diese schreckliche Hitze. Ich wollte nicht.... ich hätte ja nie gedacht, dass es ihr so zusetzen würde. Sie kann sich kaum rühren«, endete sie, klopfte immer wieder mit der Faust gegen ihreLippen und wirkte so durcheinander wie ein frisch gepflügtes Feld.
    Da anzunehmen war, dass Bird in Mrs. Boehms Bett lag, rannte ich die Treppe hinauf. Die Tür zu dem abgedunkelten Raum knarrte ein wenig, als ich sie aufschob. Ein verletztes, flehendes Geräusch. Für eine Frau, deren Name auf der Fassade prangte, war das Zimmer bemerkenswert spärlich eingerichtet, dachte ich, als meine Augen sich langsam an das düsterbraune Dämmerlicht gewöhnt hatten. Ein zierlicher Stuhl, ein einziges Bild an der Wand, und das nicht einmal ein Porträt. Es war eine bukolische Weideszene, in einem erbarmungslos üppigen Grün gehalten, und erinnerte mich sehr an meine Kindheit. Die Kranke lag, in ein dünnes Hemd gekleidet, auf dem Rücken. Ihr Haar fiel übers Kissen, ein Dickicht aus dunklen, waldigen Ranken. Auf ihrer Brust lag ein warmer Breiumschlag, der stark nach Bratäpfeln und Tabak roch und mir die höchst unwillkommene Erinnerung daran bescherte, wie ich als Elfjähriger Valentines Vorstellungen davon, wie man eine starke Erkältung kuriert, über mich ergehen lassen musste. Ihre Augenlider flatterten auf, als sie mich hörte. Zwei graue Motten im Dämmerlicht.
    »Was ist passiert?«, fragte ich mit sanfter Stimme und trat an ihr Bett.
    »Ich wurde plötzlich ganz fiebrig«, krächzte sie mit trockener Kehle.
    »Auf dem Rückweg vom Fischhändler? Was fehlt dir denn?«
    »Ich habe rote Flecken, und wenn ich atme, dann tut es weh.«
    »Mrs. Boehm scheint sich große Sorgen um dich zu machen.«
    »Ich weiß. Es tut mir leid, dass ich Ihnen Umstände bereite.«
    Ich setzte mich auf die Bettkante und wollte ihr gerade die unverschämte Lüge auftischen, sie bereite uns überhaupt keine Umstände. Todunglücklich haderte ich mit der Frage, was schlimmer war, einem sehr kranken kleinen Mädchen zu sagen, man habe ihren Freund tatsächlich in Stücke gerissen, oder zuzulassen, dass besagter Freund ungerächt blieb. Die Antworten, die ich brauchte, würden der Kleinen wehtun bis ins Mark, dachte ichbei mir. Doch noch bevor ich ein Wort sagen konnte, fiel mir etwas auf.
    »Worüber habt ihr denn gesprochen, bevor du rausgegangen bist, um den Fisch zu kaufen?«, fragte ich im Plauderton.
    Birds Blick wanderte zum Fenster, ihre Pupillen waren plötzlich bodenlos tief und unergründlich. »Ich weiß nicht mehr«, flüsterte sie. »Kann ich etwas Wasser haben?«
    Ich hielt ihr ein Glas an die Lippen und dabei fiel mir auf, wie behutsam sie den Kopf bewegte, wie überaus behutsam, eher wie eine Puppe als wie ein Mädchen, und dann stellte ich das Wasser wieder hin.
    »Und wenn ich dir sage, dass Mrs. Boehm sehr aufgeregt ist und mir schon erzählt hat, worüber ihr geredet habt?« Das war nur ein bisschen geflunkert.
    Ein winziges, kaum merkliches Zucken.
    »Sie will mich in ein kirchliches Waisenhaus stecken«, sagte Bird mit einem Seufzer. »Und ich werde auch gehen, wenn sie mich wirklich so hasst. Ich habe ihr gesagt, dass ich die Tasse bezahlen werde und dass es mir leidtut, aber sie hat nur gesagt: ›Da bist du besser aufgehoben.‹ Ich glaube, Sie würden mich hierbehalten, wenn sie Sie nicht so plagen würde. Wenn sie Sie nicht zwingen würde, zu tun, was sie will. Aber ich werde gehen, sobald es mir wieder gut geht.«
    »Na, dann sorgen wir am besten dafür, dass dir der Rote-Bete-Saft nicht ausgeht. Oder ist es Maulbeersaft? Ich kann es gar nicht sagen.«
    An den Ausdruck auf Birds Gesicht, als ihr klar wurde, dass ich ihr Spiel mit der vorgeblichen Krankheit durchschaut hatte, denke ich nicht gern zurück. Wenn man Kindern auf die Schliche kommt, werden sie zornig. Ich weiß noch genau, wie stinkwütend Val damals war, als er sich eines Morgens völlig vergeblich mit wilden Erdbeeren beschmiert hatte, weil er nicht helfen wollte, ein an Tollwut verendetes Pferd zu häuten. Die Gerberei ist auch eine scheußliche Arbeit.
    Aber Birds Gesicht lief rot an und fiel dann in sich zusammen,ganz wie bei einer Erwachsenen. Das Schuldgefühl stieg hoch und endete in einem flatternden Taumeln, wie eine aus der Luft abgeschossene Taube. Ich hätte sie

Weitere Kostenlose Bücher