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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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gern gebeten, das irgendwie wieder zu verlernen und stattdessen wieder so aufbrausend zu sein, wie nur Kinder das können, wenn sie sich gedemütigt fühlen.
    »Der Breiumschlag ist zu heiß, nicht?«, fragte sie mit ganz normaler Stimme und lächelte dabei ein wenig. Jetzt, da ich sie ertappt hatte, ließ sie wieder ihren Charme spielen. Sie sah nach unten. Die kunstvollen roten Pusteln auf ihrem Hals und ihrer Brust begannen den durchdringend riechenden Tuchsack rosa zu färben. Sie setzte sich auf und warf ihn auf den Nachttisch, wo er mit einem schmatzenden, enttäuschten Geräusch landete. »Normalerweise verläuft Rote-Bete-Saft nicht. Ich habe eine Rübe aus der Vorratskammer geklaut, bevor ich ging, und ein Zeitungsjunge hat sie mir mit seinem Taschenmesser aufgeschnitten.«
    »Ziemlich schlau.«
    »Dann sind Sie nicht böse auf mich?«
    »Doch, wenn du nicht damit aufhörst, alle zehn Sekunden eine Lüge vom Stapel zu lassen.«
    Ihre Augen verengten sich überlegend. »Dann schließen wir also Frieden. Ich erzähle auch keine Märchen mehr.« Sie schälte sich aus den Laken und setzte sich im Schneidersitz vor mich hin. »Fragen Sie mich was.«
    Ich zögerte. Aber sie hatte schon so viele geschundene und wunde Stellen unter der Haut, wie wir alle vielleicht, dass es keineswegs barmherzig war, aus Barmherzigkeit noch länger zu warten. Nach einem Moment nahm ich meinen Hut ab und legte ihn auf die blau-rote Patchworkdecke. Birds Augen weiteten sich wieder bei diesem deutlichen Signal, dass etwas Schlimmes auf sie zukam.
    »Kennst du eine Frau namens Silkie Marsh?«, fragte ich.
    Sie erschrak zutiefst, eine verängstigte Hand krallte sich ins Laken, als sie abrupt in eine kniende Haltung ging. »Nein,nein. Ich habe nie ...« Sie hielt inne, mit verzerrtem Gesicht, denn sie wusste, sie hatte sich schon verraten, dann holte sie tief Luft.
    »Ich weiß genau, dass du von dort gekommen bist. Du musst es es mir also nicht erzählen, wenn es zu schmerzvoll ist«, sagte ich sanft.
    »Sie ist hier, nicht wahr? Sie hat mich gefunden. Ich gehe nicht zurück. Ich ...«
    »Sie ist nicht hier, und ich hätte dir keine Angst machen sollen. Ich hätte niemals davon gesprochen, aber ich brauche diese Antworten mehr, als du jetzt Ruhe brauchst. Es tut mir sehr leid. Bird, als du sagtest, sie würden jemanden in Stücke reißen ... wir haben eine Leiche gefunden. Etwa so alt wie du, ein wenig älter, und aus demselben Haus.«
    Bird sagte zunächst nichts. Sie setzte sich so, dass ihre Beine seitlich neben ihr lagen, und fragte dann mit vollkommen ruhiger Stimme: »Woher wussten Sie, dass wir aus demselben Bais kommen?«
    »Mir wurde bei seiner Identifizierung geholfen, auch wenn ich seinen Namen immer noch nicht weiß. Und was dich angeht, nun ja... zunächst war da dein Nachthemd. Und was du darüber erzählt hast, dass ... jemand verletzt worden sei. Und ihr habt alle im letzten Jahr die Windpocken gehabt. Hier, siehst du?«
    Bird senkte das Kinn, um die zwei fast schon verblassten Windpockennarben unten an ihrem schmalen Hals zu betrachten, dann hob sie den Kopf mit einem unwahrscheinlichen und ganz aufrichtigen Grinsen. Ein Zahn im Unterkiefer stand ein wenig schief und rückte seinem Nachbarn auf nette Art etwas auf die Pelle.
    »Sie sind echt gerissen, Mr. Wilde. Ihnen entgeht gar nichts. Kommt das daher, dass Sie ein Polizist sind?«
    »Nein«, gab ich zu, schockiert, dass sie gar nicht stärker bewegt war. »Das liegt daran, dass ich ein geübter Barmann bin.«
    Sie nickte weise. »Ja, Sie sind ein ganz Gewiefter, kochemer alsdie meisten. Das hab ich gleich gemerkt. Tut mir leid, dass ich vorhin versucht hab, Sie an der Nase herumzuführen, aber es ist so ...« Bird räusperte sich, wieder so ein seltsam erwachsenes Verhalten, das ich ihr am liebsten abgewöhnen wollte. »Was möchten Sie wissen?«
    »Die Wahrheit.«
    »Die wird Ihnen nicht gefallen«, sagte sie matt und zupfte am Saum ihres Hemds herum. »Mir gefällt sie auch nicht.«
    »Wie heißt denn dein Freund?«
    »Liam. Einen anderen Namen hatte er nicht. Er kam von der Werft, da lebte er von den Brosamen, die er von den Seemännern und Schauerleuten zusammenbettelte. Vor zwei Jahren kam er zu uns. Sagte, er wär es leid, dass sie sich kostenlos etwas nehmen, für das sie ihn von Rechts wegen bezahlen müssten, und auf jeden Fall war das Essen bei Madam Marsh ziemlich gut.«
    Ich saß wie erstarrt da. Versuchte, meinen Körper daran zu hindern, die Dinge zu

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