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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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standen wir in einem kleinen Flur, in dem hochkant eine große Kiste aus billigem Holz stand, groß genug, dass ein Junge hineinpasste. Diese Kabine war das Werk eines Amateurschreiners, liebevoll ausgeführt. Das Fenster darin bestand aus einem Stück Glas, das früher einmal im Hudson gelegen hatte, denn eine Seepocke oder etwas Ähnliches klebte an der grünen Scheibe. Es stand aber niemand drin.
    »Der Kartenschalter«, erklärte Alle Neune und drehte sich mit einer so strahlenden Begeisterung zu mir um, dass er damit einen Zug über den Atlantik hätte fahren können. »Kommen Sie nur, hier geht’s die Treppe rauf.«
    Zu meiner Verwunderung befand ich mich wenige Sekunden später im Olymp eines funktionsfähigen Theaters. Absteigende Ränge, Stühle (keiner passte zum anderen und viele waren verkohlt), Beleuchtungskörper (zwei an der Zahl, einer an jeder Wand und schwarz vom Rauch), Rampenlicht (kleine Wachshügel, die dadurch entstanden waren, dass Kerzen in die Reste der heruntergebrannten Vorgänger gesteckt wurden), ein smaragdgrüner Vorhang und die gemalte Kulisse eines Schlachtfelds. Und dann die Jungen. Es waren etwa zwanzig, sie standen wie die Soldaten in Reih und Glied auf der Bühne. Oder eher so, wie ein Kind sich das so vorstellt.
    »Na, was sagen Sie jetzt?«, fragte Alle Neune, an mich gerichtet.Denn Mercy hatte sein kleines Wunderwerk natürlich schon gesehen.
    Unterdessen dachte ich, Valentine hätte auch ein Zeitungsausrufer werden können . Und kein Feuerwehrmann. Ein Zeitungsjunge. Schau sie dir nur an. Weiß Gott, keiner von denen wird erst mit sechzehn das erste Mal Morphium probieren.
    »Das ist herb derb«, sagte ich, denn das war das Stärkste, was mir einfiel. »Richtig herb derb.«
    »He, das ist ’ne Theaterprobe , zum Kuckuck, und nicht irgendein Moriskentanz«, raunzte ein etwas größerer Junge, der bei den Rampenlichtern stand. »Hüpf nicht so rum, Hohlauge!«
    »Na, du hast sie ja gut im Griff, was, Giftzahn?«, spottete, im Bewusstsein seines neuen Status, Alle Neune.
    Giftzahn war ein etwa vierzehnjähriger Bursche, mit pockennarbigem Gesicht und vor der Brust verschränkten Armen. So einer von der Sorte, die dir mit dem Knüppel eins überzieht und sich erst, wenn all deine Kameraden sich verzogen haben und ihr beide entspannt allein seid, dafür entschuldigt, weil es keiner mehr sieht. Er verzog böse das Gesicht, und dann sah er hoch und entdeckte Alle Neune mit Mercy.
    Danach hatten wir eigentlich mit keinem mehr größere Probleme.
    Ein paar sahen meinen Kupferstern und kniffen misstrauisch die Augen zusammen, aber das war ich schon gewöhnt. Giftzahn kam auf uns zu, die Arme immer noch verschränkt, in der Hand ein kleines Holzstöckchen, das aussah wie ein Taktstock, mit dem er gegen seine Schulter klopfte.
    »Was soll das?«, schrie er. »Würdest du freundlicherweise den Polizisten da aus unserem Theater werfen?«
    »Wie gefallen dir die Bühnenvorhänge?«, fragte Mercy zurück. »Mir gefällt die Farbe sehr gut. Wer hat sie eigentlich aufgehängt?«
    »Das war ich, Miss Underhill«, rief ein kleines Kerlchen mit kohlschwarzem Haar aus der Soldatenschar und winkte mit seinem Holzgewehr. Der Junge war älter als seine Körpergrößevermuten ließ – das konnte ich an seinen großen Händen, an der Haltung und den tiefliegenden braunen Augen erkennen. Er war vierzehn oder sogar fünfzehn – und gestraft mit dem Körperbau eines Achtjährigen.
    »Stimmt das, Zunder? Wie hast du das geschafft?«
    »Ich bin mit ’nem Seil rauf, und Hohlauge hat die Leiter gehalten.«
    Es fiel mir nicht schwer, Hohlauge auszumachen, der knallrot anlief und in einer Augenhöhle eine große Katzenaugenmurmel trug.
    »Wir spielen Das packende, schaurige und blutige Schauspiel der Schlacht von Agincourt , Miss Underhill«, verkündete Giftzahn, der begriff, dass er den Kürzeren gezogen hatte. »Vorausgesetzt, unser Heinrich Fünf steckt überhaupt mal zu irgendeiner Probe seinen Kibes rein.« Er warf Alle Neune einen düsteren Blick zu. »Keiner von uns hat was für Schucker übrig, seit die hier die Straße rauf und runter Streife gehen. Was will der hier?«
    »Misstraust du meinem lieben Jugendfreund, Giftzahn?«, fragte Mercy und stieg die Treppen hinunter zur Bühne. »Ich dachte, du wärst froh, einen Polizisten mit Kupferstern kennenzulernen, der der Meinung ist, dass Kinder etwas Besseres verdient haben, als ins Armenhaus gesteckt zu werden.«
    Giftzahn stolzierte zum

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