Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
Vom Netzwerk:
Aufwachen feststellen mussten, dass sie einen frischen Blutanstrich bekommen hatten. Der City Hall Park umfasst zehn Morgen unbebauten Grundes, davon sind etwa zwei Morgen mit einer dünnen Grasnarbe bewachsen, und im Zentrum prangen das Stadtarchiv und das Rathaus. Drei Arten von Stadtbewohnern lassen sich nachts dort nieder und achten peinlich genau auf Abstand zu den anderen. Schwuchteln wie Vals Freund Gentle Jim trafen sich am südlichen Rand bei einer nicht funktionierenden Fontäne mitgroßem Becken, trugen einen sensiblen Gesichtsausdruck und helle Schals zur Schau, während sie auf eine Gelegenheit warteten, einander französische Gefälligkeiten zu erweisen. Die obdachlosen kleinen Mädchen, die heißen Mais verkauften, suchten meist unter den Bäumen Schutz. Und die Zeitungsausrufer erhoben Anspruch auf die Treppen von Rathaus und Stadtarchiv wo rivalisierende Banden von ihnen in unseren verblüffend langen Sommern die Nacht zubrachten.
    »Sie wollen eine Geschichte, und ich geb Ihnen eine.« Der Schlingel grinste breit und zeigte uns seine vordere Zahnlücke. »Heut Morgen, Mr. Wilde, waren wir boker mit den Lerchen aufgestanden, um unsere Flebben zu kaufen, als Miss Underhill mit ’nem Krug frischem Weißling kam, und jeder kriegte was.«
    Ich nickte. »Ihr wart also gerade dabei, eure Morgenration an Zeitungen zu kaufen, als Miss Underhill Milch vorbeibrachte. Und was geschah dann?«
    Mercys gesegneter blauäugiger Blick fiel einen Augenblick von der Seite auf mich und driftete dann wieder weiter, als sie eine kleine schwarze Strähne hinters Ohr strich.
    »Na, und dann wollte Miss Underhill, dass wir ihr verkappen, ob wir gehört hätten, dass irgendwo Schratzen gebeekert worden wären, vielleicht gefezzt, bevor man ihnen ’ne Grube gekabbert hat.«
    Ich drehte mich überrascht zu ihr um. »Sie ... Sie haben gefragt, ob die Jungen etwas wüssten über Kinder, die man getötet und aufgeschnitten hat, bevor sie ins Grab gelegt wurden?«
    Die vollkommenste Unterlippe der Welt klemmte sich einen Augenblick unter Mercys Oberlippe, und es ging mir durch und durch. Es musste ihr gegen den Strich gegangen sein, einer Jungenbande so eine Frage zu stellen, dachte ich, aber wie klug von ihr! Letztlich bildeten die Zeitungsjungen so etwas wie eine eigene Armee. Mit gutem Grund – sie waren die jüngsten unabhängigen Unternehmer einer Stadt, in der das Wort Halsabschneider sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne auf alle möglichen Geschäftsleute zutraf. Wenn eine neue Zeitungsausgabefrisch herausgekommen war, fielen die Zeitungsausrufer in Schwärmen in die Verlagsgebäude ein und erstanden so viele Exemplare, wie ein jeder glaubte, dem Publikum weiterverkaufen zu können, je nach der Schlagzeile des Tages und dem eigenen Geschick. Niemand kommandierte sie herum, niemand zählte sie, und ich wette einen Doppeladler, dass die Angestellten, die ihnen en gros ihre Ware verkauften, nicht einmal ihre Namen kannten. Sie setzten Fixpreise innerhalb ihrer Gangs fest und verteidigten ihr Territorium mit Zähnen und Klauen. Selbst der größte Grünschnabel unter ihnen könnte Mercys Frage besser beantworten als irgendeine vierzigjährige Jungfer aus der besseren Gesellschaft.
    »Das haben Sie gut gemacht«, sagte ich zu ihr.
    Alle Neune hustete. »Also hab ich ihr gesagt, sie soll lieber lewiren. Miss Underhill ist ’ne kesse Micke, sicher, eine richtig schneidige Muck, die sich auskennt, aber ...«
    »Ja, sie ist wundervoll. Aber jetzt rück schon mit der Geschichte raus«, befahl ich. Mercy warf mir nun doch einen dankbaren Blick zu, bevor sie ihn wieder ihren gefalteten Händen zuwandte.
    »Es ist einfach so, dass mir das alles nicht gefällt.« Er nahm die mädchenhafte Brille ab und fing an, wie ein echter Gelehrter die Gläser zu putzen. »Eine toffe Micke wie Miss Underhill, die was von gebeekerten Schratzen barlt. Und das, wo doch der Baal mit der schwarzen Kapuze durch die Gegend stromert.«
    Mir klappte einfach die Kinnlade herunter. Mercy, die zu wohlerzogen oder einfach nur zu zufrieden mit sich war, um mir einen triumphierenden Blick zuzuwerfen, hielt ihn auf den Tisch gesenkt, von wo er ohne ihr Zutun zu mir zurückprallte.
    »Ihr habt das Gerücht gehört, dass ein Mann mit schwarzer Kapuze die Straßen unsicher macht?«, wiederholte ich entsetzt.
    Alle Neune nickte grimmig. »Tut mir wirklich leid, dass Sie mich nicht verstehn konnten, Miss Underhill.«
    Dann trank er sichtlich um

Weitere Kostenlose Bücher