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Der Teufelsfürst

Der Teufelsfürst

Titel: Der Teufelsfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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durchtrennt hatte. Selbst die Aussicht auf einen schnellen Tod konnte ihn nicht dazu bringen, den Unterschlupf des Rebellen zu verraten. »Hängt Steine an seine Arme und Beine«, befahl der Ağa. »Und du, versuche es mit den anderen, wenn er immer noch nicht reden will«, setzte er an Vlad gewandt hinzu. »Sobald du in Erfahrung gebracht hast, wo sich dieses Ungeziefer versteckt hält, machst du unverzüglich Meldung.« Er wandte sich zum Gehen. »Steht hier nicht rum, als ob es nichts zu tun gäbe«, fuhr er die Soldaten an, die sich im Kreis um ihn geschart hatten. »Kümmert euch darum, dass die Leichen fortgeschafft werden!«
    Kaum war mit ihm auch ein Großteil der anderen Akıncı verschwunden, spürte Vlad, wie sich ein tonnenschweres Gewicht von seinen Schultern hob. Selbst wenn die zurückgebliebenen Wachen ihre Ohren spitzten, konnten sie von ihren Posten am Rande des Folterplatzes nicht hören, was er zu den Albanern sagte. Er befahl zwei jungen Helfern, einen weiteren Gefangenen aus dem hölzernen Verschlag zu holen. »Nicht den«, brummte er, als sie einen vierschrötigen Kerl ins Freie zerren wollten. »Diesen dort.« Sobald sie seinem Befehl Folge geleistet hatten, verscheuchte er sie wie einen Schwarm Fliegen und holte einige Male unauffällig Luft. Er musste sich beeilen und die Zeit, die ihm – mehr oder weniger – unbeobachtet blieb, nutzen. Wenn er jetzt nicht handelte, würde er niemals herausfinden, was ihm aufgetragen worden war. Dem Unglücklichen, der zitternd wie Espenlaub vor ihm stand, war anzusehen, dass er kein Krieger war. Sein fast kahles Haupt war umrankt von einem dünnen Kranz grauer Locken, und die knochigen Hände zeugten von jahrelanger Askese. An seinem Hals baumelte ein bescheidenes Kruzifix, das einen gänzlich unangebrachten Schimmer der Hoffnung in Vlads Augen aufblitzen ließ. Einen Moment lang war er versucht, nach dem Kreuz zu greifen, es zu küssen und den Pater um Vergebung zu bitten. Doch dann zog er seinen Dolch und trat auf ihn zu.
    Die Lippen des Kirchenmannes bewegten sich, und Vlad hörte ihn murmeln: » Fiat voluntas tua sicut in caelo et in terra. « Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden, dachte er.
    Wenn dem doch nur so wäre! »Wenn Ihr tut, was ich sage, wird Euch kein Leid geschehen«, unterbrach er das Gebet des Geistlichen. Dieser hob – verdutzt über die höfliche Anrede – den Kopf und sah Vlad mit trüben, braunen Augen an. Ohne auf seinen fragenden Blick einzugehen, packte Vlad ihn am Arm und zog ihn auf den Albaner zu, dem – durch die Steine an seinen Extremitäten – der Pfahl inzwischen im Brustbereich wieder ausgetreten war.
    Er schob den Pfarrer ins Blickfeld des Gefolterten, dessen Augen so weit in den Höhlen zurückgerollt waren, dass nur noch das Weiß sichtbar war. »Hör zu«, zischte er so dicht am Ohr des Mannes wie möglich, »wenn du meine Fragen beantwortest, wird der Priester dir die Absolution erteilen.« Zuerst schien es, als habe der Gefangene ihn nicht gehört. Doch dann bewegte sich sein Kopf einen halben Zoll nach vorn, und seine Lider schlossen sich. »Ich bin es, Nikola«, sagte der Pater und drückte ihm das Kruzifix auf den Arm. »Es ist mir egal, wo Kastriota ist«, fügte Vlad hinzu – wohl wissend, dass es sein Tod war, wenn ihn jemand außer den beiden Albanern hörte.
    »Ich habe nur eine einzige Frage.« Er wartete einen Moment, bis der Mann mit einem Stöhnen zu verstehen gab, dass er ihn gehört hatte. »Ist es wahr, dass Kastriota in den Mord an Alaeddin Ali-Çelebi verwickelt war?« Zwar hatte er diese Frage schon mehr als einmal ins Ohr eines Gefolterten geflüstert – allerdings bisher nie eine zufriedenstellende Antwort erhalten.
    Der Mann gab ein Geräusch von sich, das wie ein kraftloses Prusten klang. Dann presste er ein einziges, kaum verständliches Wort zwischen den aufgeplatzten Lippen hervor: »Blutschuld.« Ein Schwall schwarzen Schleims rann an seinem Kinn hinab. Als Vlad weiter in ihn dringen wollte, schüttelte der Priester den Kopf. »Ihr könnt Euer Versprechen nicht mehr halten. Er ist tot.« Es war Verachtung, die in seiner Stimme mitschwang. Einen erschreckenden Augenblick lang rang Vlad mit der Versuchung, ihn an Ort und Stelle zu erschlagen. Dann senkte er allerdings beschämt den Blick und führte den Pater grob zurück zu dem Verschlag. Er brauchte ihn noch! Sein Wert war immens – gewiss würde manch einer der Gefangenen viel schneller reden, wenn die Aussicht auf

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