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Der Teufelsfürst

Der Teufelsfürst

Titel: Der Teufelsfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Wohlstand, der durch den immer dichter werdenden Strom der Reisenden noch verstärkt wurde. »Sind wir bald da?«, fragte Kaliya, die zusammen mit einem Dutzend weiterer Frauen in dem Karren reiste, den Zehra lenkte. Die Linke auf dem leicht gerundeten Bauch, schnitt sie eine schmerzhafte Grimasse, als die Räder über einen Ast holperten.
    »Wenn wir nicht bald anhalten, muss ich mich wieder übergeben«, stöhnte sie und biss sich auf die Unterlippe. Obgleich Zehra ihr aus unerfindlichen Gründen immer noch für das grollte, was sich in Nürnberg zwischen ihr und Michel abgespielt hatte, tat ihr die junge Frau leid. Seit ihrer Hochzeit mit Filip, einem der Seiltänzer, litt sie regelmäßig unter Übelkeit und hatte sich bereits dreimal an diesem Tag erbrochen. »Ich werde dir einen Trank machen, sobald wir anhalten«, versprach sie. Da Michel ihre Hilfe derzeit nicht benötigte, war ihr oft langweilig. Deshalb hatte sie vor einigen Tagen Reyka – die Kräuterfrau – gefragt, ob sie ihr zur Hand gehen konnte.
    Diese hatte dankbar angenommen, weil nicht nur scheußliche Durchfälle und Fieber unter den Sinti grassierten, sondern auch immer mehr der schwangeren Frauen zu früh niederkamen. »Ich fürchte, es ist die Hitze«, hatte die alte Frau kopfschüttelnd gemutmaßt und Zehra anerkennend dabei zugesehen, wie diese ein fiebersenkendes Gebräu aus Kräutern zubereitet hatte. »Oder der Fluch der fremden Teufel zeigt seine Wirkung.« Sie hatte sich mehrfach bekreuzigt und ein Gebet in ihrer eigenen Sprache gemurmelt, während Zehra den Sud durch ein Seihtuch abgegossen hatte. »Das glaube ich nicht«, hatte Zehra sie beruhigt. Tatsächlich hielt sie es für Aberglauben, dass die Verwünschungen, mit denen die Sinti von einer Gruppe Pilger aus England bedacht worden waren, etwas mit den Erkrankungen zu tun hatten.
    Als sie Passau beinahe erreicht hatten, lösten sich die bunt gekleideten Musikanten, Gaukler und Schaureiter aus den Reihen der Zigeuner, um mit viel Getöse und Herumtollen auf sich aufmerksam zu machen. Jedes Mal, wenn die Sinti in eine neue Stadt kamen, zogen die Seiltänzer und Reiter die Bürger an wie Speck die Mäuse. Allerdings kam es bei diesen Vorführungen immer häufiger zu Zwischenfällen, da einheimisches Diebesgesindel die Schau für seine Zwecke nutzte. Zudem mehrten Wanderprediger und Türkenfeinde die Furcht vor den Fahrenden. Die Gerüchte über die Unheil bringenden Fremden verbreiteten sich wie ein Lauffeuer im Land. Sie führten dazu, dass die Sinti mit immer mehr Feindseligkeit bedacht wurden. Die Städte, in denen der Herzog keine Verbindungen hatte, wurden gemieden, da es dort die Stadtobrigkeit war, die versuchte, die Sinti so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Zudem schien der Geleitbrief des Königs an Wert zu verlieren, je weiter sie nach Osten reisten. Aus welchem Grund auch immer, Herzog Michel die Richtung geändert hatte, Zehra war sich nicht sicher, ob es ein guter Einfall gewesen war. Zu ihrer Linken erhoben sich Hügel, auf denen Schafe und Kühe weideten. Und in der Ferne konnte sie schon die Bürgerwiese am Fuße der Festung erkennen. Da tauchte plötzlich eine Schar Reiter – offenbar Stadtwachen – aus einem der Stadttore auf und galoppierte mit erhobenen Spießen auf die Fahrenden zu. Scheinbar waren sie auch hier nicht besonders willkommen, dachte Zehra, sobald die Soldaten die Spitze des Zuges erreicht hatten. Michel ritt – wie immer prächtig herausgeputzt – auf einem leuchtend weißen Hengst, der mehr wert war als alle Tiere der Passauer Wachen zusammen. Nachdem die Bewaffneten so zum Stehen gekommen waren, dass ein Weiterziehen unmöglich war, begann ihr Anführer wild zu gestikulieren. Er fuchtelte gerade mit einer Art Rolle in der Luft herum, als plötzlich ein einzelner Reiter hinter ihm auftauchte, der sich rüde durch die Männer nach vorn drängte.
    Zwischen ihm und dem obersten Stadtsoldaten entbrannte ein Wortgefecht. Immer wieder deutete der Neuankömmling dabei mit der behandschuhten Rechten zu der Feste hinauf, die aus der Nähe abweisend und bedrohlich wirkte. Einige zermürbende Augenblicke sah es so aus, als wollten die Passauer den einzelnen Reiter mitsamt den Sinti davonjagen. Doch dann legte Michel vollkommen unerwartet den Kopf in den Nacken und lachte brüllend. Auch er begann nun, in Richtung Burg zu zeigen, woraufhin der Neuankömmling nickte. Nachdem noch einige Minuten lang diskutiert worden war, senkten die Passauer

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