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Der Teufelsfürst

Der Teufelsfürst

Titel: Der Teufelsfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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das Iskender?«, raunten einige der Versammelten. »Ist er das?«
    Vlad reckte sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. Zwar hatte er Georg Kastriota vor vier Jahren am Sultanshof kennengelernt, aber so, wie der Gefangene zugerichtet war, hätte ihn vermutlich seine eigene Mutter nicht erkannt.
    Der Anführer zügelte sein Reittier vor dem Ağa und hielt diesem die Lanze mit der Beute entgegen. Im Licht der Fackeln sah Vlad, dass es sich um einen Helm handelte, den der vergoldete Kopf eines Ziegenbocks schmückte. Das mulmige Gefühl verwandelte sich in heißen Schrecken. Gütiger Gott!
    Sollte es den Osmanen tatsächlich gelungen sein …? Ohne diese zu sehen, hätte er die Inschrift auf dem Helm zitieren können – handelte es sich doch eindeutig um die legendäre Kopfbedeckung des albanischen Aufrührers. Getrennt durch goldene Rosetten, zierten Buchstabenpaare das kupferne Helmband: IN PE RA TO RE BT – Iesus Nazarenus Principi Emathie Regi Albaiae Terrori Osmanorum Regi Epirotarum Benedictat Te. Jesus von Nazareth segnet dich, Prinz von Mat, König von Albanien, Schrecken der Osmanen, König von Epirus.
    »Iskender! Iskender! Iskender!«, schwoll der Sprechchor erneut an. Mit versteinerter Miene verfolgte Vlad, wie die erfolgreichen Jäger ihre Gefangenen vor dem Ağa in den Schmutz schleuderten. Auch die übrigen Albaner waren übel zugerichtet – einigen von ihnen fehlten sogar Gliedmaßen.
    Nachdem der Ağa einige Momente lang reglos im Sattel verharrt hatte, glitt er zu Boden und trat dicht an den Mann heran, der seinen Herrn, den Sultan, betrogen hatte. Zwar hatte der Padischah den Befehl gegeben, Kastriota zu ihm an den Hof zu bringen, sollte man ihn fassen. Doch Vlad zweifelte keine Sekunde daran, dass der Albaner eine Welt des Schmerzes durchschreiten musste, ehe er nach Edirne geschafft wurde.
    Ob eine Rückkehr in Gnade überhaupt möglich war, wusste Vlad nicht, da Kastriota gefangen genommen worden war, bevor er sich ergeben konnte. Angesichts der aussichtslosen Lage schien diese Frage jedoch eine unbedeutende Spitzfindigkeit. Mit düsterem Gesicht beugte sich der Ağa tiefer über den Gefangenen, dessen Nase und Mund blutverkrustet waren. Die versammelten Kämpfer verstummten und verfolgten mit angehaltenem Atem, wie ihr Anführer einmal um den Knienden herumging. »Das ist nicht Iskender!«, spuckte er schließlich zornig aus und versetzte dem Albaner einen Stoß.
    »Ihr habt euch zum Narren halten lassen!« Seine Augen sprühten Funken, als er den Hauptmann der Reiter mit einem Schwall von Schimpfworten überschüttete. Schließlich erschöpfte sich sein Zorn und er befahl schroff: »Findet heraus, was sie wissen und woher sie diesen Helm haben!« Er wandte sich brüsk von den – auf einmal gar nicht mehr triumphtrunkenen – Reitern ab und stürmte ins Innere des Lagers davon.
    Vlad hätte am liebsten erleichtert aufgeseufzt. Aber er wusste, dass er sich auf keinen Fall verdächtig machen durfte. Denn sonst war die Idee, die ihm beim Anblick eines der anderen Gefangenen gekommen war, nicht in die Tat umzusetzen.

Kapitel 44
Albanien, Osmanisches Kriegslager, 1447
    Der Sonnenaufgang hatte zwar Helligkeit gebracht, doch in Vlads Herzen herrschte finstere Nacht, als er sich die Hände an seinem Zırh gömlek abwischte. Über dem Gestank von versagenden Gedärmen lag der süßlich-metallische Geruch von Blut, der sich mit saurem Schweiß vermischte. Das leuchtende Blau des Himmels spottete der Szene, die selbst einige der kampferprobten Soldaten, welche die Gefangenen bewachten, erbleichen ließ. Da der Ağa in Vlad inzwischen einen seiner begabtesten Folterschüler sah, hatte er diesem die Aufgabe übertragen, den falschen Iskender zu befragen. Und jetzt, keine vier Stunden nach seiner Ankunft im Lager der Osmanen, war der Albaner nicht mehr als ein Sack aus zerrissener Haut. Nach den ersten paar Zoll, die der Pfahl in seinen Mastdarm eingedrungen war, hatte der Mann Vlad und die anderen Anwesenden noch heiser brüllend beschimpft. Doch keine halbe Stunde später hatte er heulend wie ein Weib um Gnade gefleht. Er war ein Hauptmann von Georg Kastriota – einer von vielen, die mit imitierten Helmen ihres Anführers Verwirrung unter den Feinden stiften wollten. Als der Ağa, den das Geflenne herbeigelockt hatte, wissen wollte, wo sich Iskender befand, hatte der Gefolterte sich allerdings so fest auf die Zunge gebissen, dass er diese – absichtlich oder unabsichtlich – fast

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