Der Teufelsfürst
Vergebung seiner Sünden bestand. Ganz abgesehen von dem Wert, den er für Vlad selbst darstellte. Angst brauchte er vor ihm jedenfalls nicht zu haben, da keiner der Osmanen glauben würde, was auch immer er ihnen erzählte. Er wischte den Gedanken an seine eigene Sicherheit und sein Seelenheil beiseite und pfiff seine Helfer herbei, denen er Anweisung gab, drei weitere Albaner ins Freie zu schaffen. Die jungen Burschen schnitten den Gefangenen die Kleider vom Leib, und bereiteten die Pfähle vor. Als sie damit fertig waren, nahm Vlad sein schauriges Handwerk wieder auf. Um sich von den grauenhaften Geräuschen abzulenken, floh er zu den Gedanken in seinem Kopf. Während die Schreie der Gemarterten durch das Lager hallten, fragte er sich, ob die Antwort des Toten das bedeutete, was er vermutete. Blutschuld! Das konnte nur heißen, dass Kastriota tatsächlich etwas mit dem Mord an Sultan Murads Thronfolger zu tun gehabt hatte. Denn wenn die Gerüchte stimmten, die er inzwischen aufgeschnappt hatte, war Kastriotas Vater vor zehn Jahren auf Befehl des Sultans umgebracht worden. Die Ermordung des Vaters hatte ihn, den jüngsten Sohn, dazu gezwungen, die Blutschuld zu sühnen.
Jetzt musste Vlad nur noch in Erfahrung bringen, wer es gewesen war, der Georg Kastriota am Hof unterstützt hatte – war er selbst zur Zeit der Tat doch meilenweit entfernt gewesen! Alaeddin Ali-Çelebi war von einem Hofbeamten erwürgt worden, einem Beamten, der ganz sicher auf Befehl einer hochgestellten Persönlichkeit am Hof des Sultans gehandelt hatte. Wer der Verbündete bei dieser Verschwörung gewesen war, galt es nun noch herauszufinden. Dann konnte er Halil Pascha Nachricht senden, diese Hölle hinter sich lassen und nach Edirne zurückkehren, um näher bei Radu zu sein!
Da er immer noch mehr oder weniger alleine war mit den Gefangenen, wiederholte er die Frage nach dem Mord bei den drei Gepfählten, doch dieses Mal ohne Erfolg. Einem blutjungen Burschen, der ohnehin nichts zu wissen schien, trieb Vlad nach wenigen Minuten auf dem Pfahl die Klinge ins Herz und gab vor, ihn weiter zu befragen. Niemand würde aus der Entfernung erkennen, ob der Gefolterte noch Teil des grauenhaften Chores war oder nicht. Er wollte den Gnadenakt gerade bei einem der anderen wiederholen, als der Ağa zurückkehrte. »Wie weit bist du?«, fragte er grimmig. »Die Männer wollen wissen, wo sich dieser ehrlose Iskender verkriecht.« Vlad gelang es kaum, seinen Schreck zu verbergen.
In der Hoffnung, dass der Anführer ihn nicht schon länger beobachtet hatte, trat er von dem Albaner zurück, den er hatte erlösen wollen, und verneigte sich leicht. »Er verbirgt sich auf der Burg Kruja«, log er glatt. Schon vorher hatte er die Osmanen mit falschen Informationen gefüttert, damit sie ihre Kräfte auf eine aussichtslose Hetzjagd verschwendeten. Da die Festung Kruja ungefähr dreißig Meilen weiter nordwestlich lag, tief im Herzen des Feindeslandes, bestand wenig Gefahr, dass jemand seine Lüge entdecken würde. »Dieser Sohn einer Assel!«, fluchte der Ağa, dem klar war, dass Kastriota sich dadurch seinem Zugriff entzog. »Feige wie ein Eunuch!« Er gab Vlad mit einem Wink zu verstehen, weiterzumachen. »Sieh zu, was du sonst noch herausfinden kannst«, befahl er. »Irgendwo müssen doch diese Höhlen sein …« Vlad wusste, worauf er anspielte. Vor einiger Zeit hatte ein Bauer ihnen gestanden, dass viele der Einheimischen sich in Höhlen in den Bergen versteckten. Wenn es ihnen gelang, diese Verstecke zu finden, würden sie den Widerstand empfindlich schwächen.
Mit einem Herz, das sich anfühlte, als ob es aus Stein wäre, befolgte Vlad die Anweisung des Offiziers und nahm die Befragung wieder auf.
Kapitel 45
In der Nähe von Passau, August 1447
Je näher sie der Stadt Passau kamen, desto mehr Handelsschiffe drängten sich auf der Donau, deren Lauf die Zigeuner seit Regensburg folgten. Kleine Schiffe, Nachen und Flöße trieben mit ihrer Ladung flussabwärts. An ihrem Bestimmungsort angekommen, wurden sie zerlegt, damit die Besitzer das Holz verkaufen konnten. Größere Schiffe wurden hingegen mit Pferden wieder stromaufwärts geschleppt, um erneut mit Waren beladen zu werden. Zudem wimmelte es überall von Fischern, die versuchten, die wenigen Fische, die noch nicht die Flucht ergriffen hatten, in ihren Netzen zu fangen. Zehra wusste, dass die Donau eine der wichtigsten Wasserstraßen Europas war. Über sie fanden Waren wie Pelze, Wachs, Tierhäute,
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