Der Teufelsfürst
Wächter schließlich ihre Spieße, wendeten die Pferde und trabten zurück in die Stadt. Wer auch immer der Mann war, dachte Zehra, er hatte offenbar die Macht, den Soldaten Anweisungen zu geben. Der Zug setzte sich wieder in Bewegung.
Keine zwei Stunden später war das Lager errichtet. Als Zehra schließlich kurz vor Mitternacht müde auf ihren Strohsack sank, hatte es sich bereits herumgesprochen, dass der Bischof von Passau persönlich befohlen hatte, die Sinti lagern zu lassen. Warum der Kirchenmann selbst eingeschritten war, wusste niemand. Aber Zehra nahm an, dass der Herzog auch ihm Informationen verkaufte. Froh darüber, endlich ihre müden Glieder ausruhen zu könne, rollte sie sich zusammen und fiel kurz darauf in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Kapitel 46
Ulm, August 1447
Das Herz schlug Sophia bis zum Hals, als sie sich ein letztes Mal umsah, ehe sie aus dem Haus huschte. Das Gesinde war in Küche, Hof und Stall beschäftigt. Im Schatten der Mauer schlich sie sich in Richtung Hoftor und hoffte inständig, dass ihre Großmutter keinen der Knechte dazu angewiesen hatte, ein Auge auf sie zu haben. Ihr Vater zechte in irgendeiner der vielen Herbergen der Stadt, in denen er seit dem Gewinn des Turniers ebendiesen feierte. Helwig hatte vor Kurzem das Haus verlassen, nachdem ein Bote des Advocatus bei ihr vorgesprochen hatte. Ihre finstere Miene hatte darauf schließen lassen, dass sich die Dinge nicht ganz so entwickelten wie gewünscht. Und auch wenn sich Sophia noch mehr vor ihrer Großmutter fürchtete, wenn diese schlechter Laune war, betete sie dennoch dafür, dass ihren Machenschaften Steine in den Weg geworfen wurden. Das, dachte sie, wäre ein Zeichen Gottes, der dann gewiss auch sie vor Helwig schützen würde.
Sie hatte das Tor erreicht und fuhr erschrocken zusammen, als es von außen geöffnet wurde. Bevor sie sich überlegen konnte, wo sie sich verbergen sollte, ritten zwei Reisige ihres Vaters in den Hof – ohne ihr allerdings die geringste Beachtung zu zollen. Froh darüber, ihr einfachstes Kleid angelegt zu haben, zog sie sich das Tuch tiefer in die Stirn, blickte zu Boden und wischte auf die Straße hinaus. Der Korb an ihrem Arm trug dazu bei, dass man sie für eine einfache Magd halten würde.
Obgleich sie ohne Begleitung war, fühlte sie sich seltsam sicher. Vielleicht war es die endlich getroffene Entscheidung, die dafür sorgte, dass sie sich nicht mehr vor ihrem eigenen Schatten fürchtete. Zumindest hatte der gefasste Entschluss ihr einen Teil ihres Seelenfriedens zurückgegeben. Sorgsam darauf bedacht, nicht aufzufallen, eilte sie die Hirschstraße entlang bis zum Münsterplatz. Nachdem sie die riesige Baustelle hinter sich gelassen hatte, erreichte sie schließlich die Apothekergasse. Hoffentlich hatte der Apotheker das Pulver noch nicht weggeworfen, weil sie so lange keine Möglichkeit gehabt hatte, ihn aufzusuchen!
Vor dem Haus, das vom Wohlstand des Ulmers zeugte, zögerte sie einen kurzen Moment. Dann raffte sie mit der Rechten die Röcke und erklomm die Treppe, die in den Verkaufsraum führte. Eine kleine Glocke über der Tür verkündete ihre Anwesenheit. Wenig später erschien ein dünner, hochgewachsener Mann aus der nebenan gelegenen Offizin – der Arzneiküche. »Ach, Ihr seid das«, begrüßte er Sophia unfreundlich und rieb sich die geröteten Augen. Seine Hände und Unterarme waren durch frische und bereits verheilte Verbrennungen entstellt. Sophia rümpfte die Nase, da er einen penetrant scharfen Geruch mitbrachte. Der Verkaufsraum war vollgestopft mit allerlei Tiegeln, Töpfen und sogar Fässern.
In einer kunstvoll gestalteten Auslage lockten teure Gewürze, in Zucker kandierte Früchte und Zitrusschalen, Pastillen und Marzipan. Zudem protzte der Apotheker mit mehreren Stangen Manus Christi – einem mit Blattgold überzogenen Naschwerk, das mit Zimt, Veilchen oder Rosenwasser gewürzt war.
Obgleich Sophia eigentlich nicht hungrig war, spürte sie, wie ihr das Wasser im Mund zusammenlief. »Ich dachte schon, Ihr hättet die Flucht ergriffen«, brummte der Mann, der Sophia mit zusammengekniffenen Augen musterte. »Bei dem, was Ihr mir da gebracht habt, hättet Ihr allen Grund dazu.« Ein heißer Schreck ließ Sophias Arme schwach werden. Um ein Haar wäre ihr der Korb entglitten. »Wo auch immer Ihr das Pulver her habt, Ihr solltet Euch davor hüten«, fuhr der Apotheker fort. »Und auch vor der Person, die mit so etwas herumhantiert.« Er schüttelte den Kopf
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