Der Teufelsfürst
vergangen, aber der Bengel beantwortete weder seine Nachrichten noch zeigte er sein falsches Gesicht. Mehr als zwei Dutzend Mal hatte Ulrich bereits bei dem Verwalter des Burschen vorgesprochen und um eine Unterredung gebeten. Allerdings ohne Erfolg. Die Ausflüchte des Handlangers erschienen ihm mit jedem Besuch fadenscheiniger. Zu allem entschlossen, betätigte er den Türklopfer. Ein Vertrag war ein Vertrag! Er würde den kleinen Wucherer notfalls mit Gewalt dazu zwingen, ihn einzuhalten! In vier Tagen fand das Kapiteltreffen in Geislingen statt. Wenn der Kerl in die Gesellschaft mit Sankt Wilhelm aufgenommen werden wollte, dann sollte er besser zusehen, dass er auch anwesend war. Zwar waren auch Aufnahmen in absentia möglich, doch Ulrich dachte nicht im Traum daran, seinen Teil der Abmachung zu halten, wenn der Katzensteiner ein falsches Spiel trieb. Sobald ihm einer der Knechte das Tor öffnete, drängte er sich an diesem vorbei, ignorierte den Protest und stürmte in die Halle. Dort sah er sich um. Kaum hatte er die Treppe entdeckt, stürmte er hinauf ins erste Stockwerk. Heute würde es keine faulen Ausreden geben! Wenn der Mistkerl zu Hause war, würde er ihn finden! Er hatte den obersten Treppenabsatz schon fast erreicht, als ihm der hagere Verwalter den Weg vertrat. »Ich fürchte, Ihr habt Euch verlaufen«, sagte dieser mit einem gezwungenen Lächeln, den Blick auf Ulrichs Schwert gerichtet. »Der Herr ist immer noch nicht zu Hause. Wenn Ihr etwas erstehen wollt …«
»Hör auf mit dem Gefasel! Ich frage dich jetzt zum letzten Mal: Wo ist Utz von Katzenstein?«, schnitt Ulrich ihm das Wort ab. »Und lüg mich ja nicht an, sonst stelle ich das ganze Haus auf den Kopf!«
Ein schadenfrohes Grinsen huschte über das Gesicht des Verwalters, ehe er sich leicht verneigte. Dann zuckte er die Achseln und trat zur Seite. »Er ist nicht da«, ließ er Ulrich gezwungen ruhig wissen. »Aber da Ihr mir offenbar nicht glaubt, bitte.« Er ging voran zu einer Tür, die in ein vollgestopftes Kontor führte. Auf einem Tisch in der Mitte des Raumes stapelten sich Briefe, kleine Pakete und Säcke. »Seit mehr als einem Monat fehlt jede Spur von ihm. Ich habe bereits die Stadtwache informiert, aber solange kein Verbrechen vorliegt, kann der Hauptmann nichts tun.« Er zögerte einen Moment, bevor er hinzufügte: »Ihr seid nicht der Einzige, der dauernd nach ihm fragt, aber …«
»Wer sind die anderen?«, unterbrach Ulrich ihn schroff. Obgleich dem Mann anzusehen war, dass ihn der Ton des Grafen empörte, erwiderte er: »Der Bildhauer Hans Multscher und der Prokurator Jakob Löw.« Ulrich kratzte sich den Kinnbart, den er seit Neuestem trug, und dachte kurz nach. »Zeig mir die anderen Räume!«, befahl er.
Den Bruchteil eines Augenblickes sah es so aus, als wolle sich der Verwalter weigern. Doch dann hob er resigniert die Schultern. »Wenn Ihr darauf besteht«, sagte er bissig und führte Ulrich durch den Wohnbereich des Hauses, in dem allerdings auch keine Spur von dem Katzensteiner zu entdecken war.
Nachdem der Handlanger ihm auch die Keller und das Lager gezeigt hatte, gab Ulrich die Suche auf und ließ sich sein Pferd bringen.
Keine zehn Minuten später befand er sich vor der Werkstatt des Bildhauers Hans Multscher. Allerdings wusste dieser genauso wenig über den Verbleib des Jungen wie der Prokurator, den Ulrich ebenfalls aufsuchte. »Wenn Ihr ihn vor mir findet«, sagte dieser mit einer sorgenvollen Falte auf der Stirn.
»Dann richtet ihm aus, dass das Gericht zu seinen Gunsten entscheiden wird.« Ulrich horchte auf. Das Gericht war bereits zu einem Urteil gekommen? Das war nicht gut für ihn!
Sollte der Junge sein Vermögen ohne Ulrichs Hilfe zurückbekommen, war der Vertrag in seiner Tasche null und nichtig!
Er dachte kurz nach. Dann fragte er scheinheilig: »Wie lange wird es dauern, bis die Sache endgültig abgeschlossen ist?«
Der Prokurator zuckte die Achseln. »Das kann man so nicht sagen. Es wird eine Verhandlung geben, bei der beide Parteien vor dem Stadtgericht erscheinen müssen. Vermutlich werden die Vorladungen demnächst zugestellt. Allerdings habe ich gehört, dass sich der Kläger, Johann von Katzenstein, gar nicht mehr in der Stadt befindet.« Ulrichs Brauen schossen in die Höhe. »Nicht mehr in der Stadt? Wo ist er denn dann?«, erkundigte er sich, da er den plötzlichen Verdacht hegte, dass diese Entwicklung mehr als nur ein Zufall war.
»Laut dem Advocatus der Familie befindet er sich
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