Der Teufelsfürst
gesenktem Kopf dicht vor ihrem Vater, der mit einem seltsamen Ausdruck auf den wettergegerbten Zügen auf sie hinabschaute. Fast wirkte es, als ob er den Schritt bedauerte, zu dem offenbar auch die junge Frau gezwungen worden war. Der Druck der Waffe verstärkte sich, und es zischte dicht an seinem Ohr: »Wenn Ihr nicht unterzeichnet, werde ich Euch das Herz aus dem Leib schneiden und Euch verfluchen, sodass Ihr fortan als Wiedergänger durch die Welt irrt!« Utz erschauerte, da er keine Sekunde daran zweifelte, dass die alte Frau dazu in der Lage war. Daher nahm er mit unsicherer Hand den Federkiel auf und setzte seine Unterschrift unter die beiden Zeilen, mit denen er seine Freiheit endgültig verwirkte. Sobald er fertig war, zog ihm die Mutter des Katzensteiner Ritters das Dokument unter der Nase weg und winkte neben einem kräftigen Knecht auch den Pater herbei. Dieser hatte das junge Paar am Morgen in der Burgkapelle getraut und war auch bei dem darauffolgenden Hochzeitsmahl anwesend gewesen. Warum man sich die Mühe gemacht hatte, dem Gesinde gegenüber den Anschein von Normalität zu wahren, wusste Utz nicht. Sicher war nur, dass das, was nun folgen musste, ihm heftige Magenschmerzen bereitete. Abgesehen von der Tatsache, dass mit diesem Schritt die Ehe rechtskräftig wurde, wusste er nicht, wie es ihm gelingen sollte, den Akt zu vollziehen.
Wieso war er nur so dumm gewesen, die Einladung ins Haus der Katzensteiner anzunehmen, fragte er sich zum wohl tausendsten Mal seit seiner Entführung aus Ulm. Warum hatte er nicht einfach abgewartet, bis der Graf von Helfenstein seine Aufnahme in die Adelsgesellschaft erwirkt hatte? Bis er die Unterstützung vieler einflussreicher Männer hatte? Warum war er nur so ungeduldig gewesen und hatte die Dinge selbst in die Hand nehmen wollen? Eine knochige Hand legte sich um seinen Oberarm und zog ihn auf die Beine. »Ihr habt wohl Angst vor Eurer Gemahlin?«, höhnte die alte Frau. »Wie unmännlich!« Sie lachte freudlos und gab Utz’ Bewacher zu verstehen, ihn die Treppe ins Obergeschoss hinaufzuführen.
Während sich der Druck in seinem Magen verstärkte, suchte er fieberhaft nach einem Fluchtweg. Doch je höher sie stiegen, desto schmaler wurden die Fenster, unter denen der schroffe Burgfelsen lag. Im zweiten Stock der Festung angelangt, machten sie schließlich vor einer geräumigen Kammer halt, in deren Mitte ein riesiges Himmelbett stand. Der Knecht stieß ihn grob über die Schwelle, und sobald auch seine Gemahlin, der Pater und die Mutter des Ritters im Raum waren, wurde dieser von der alten Frau verschlossen. »Ich nehme an, Ihr wisst, was Ihr zu tun habt«, sagte sie trocken und ließ sich neben dem Kirchenmann auf einem Holzstuhl nieder. »Denkt Ihr nicht, wir sollten …«, hub der Pater an und deutete auf eine stoffbezogene Trennwand. »Nein!«, erwiderte die alte Hexe schroff. Utz spürte, wie er zu schwitzen begann.
Was von ihm erwartet wurde, wusste er. Schließlich hatte sein Vater ihn am Tag seiner Mündigkeit mit ins Badehaus genommen, wo ihn eine der Gehilfinnen in die Kunst der Liebe eingeführt hatte. Allerdings hatte damals niemand dabei zugesehen! Einige Momente stand er einfach nur starr da und wusste nicht, wo er hinsehen sollte. Dann ließ ihn ein gepresster Laut aufblicken und gegen seinen Willen griff Mitleid nach seinem Herzen.
Seiner Gemahlin, Sophia, rannen Tränen über das totenbleiche Gesicht, in dem die grünen Augen riesig wirkten.
Trotz ihrer kunstvoll aufgesteckten Frisur und dem überladenen Hochzeitskleid wirkte sie auf einmal wie ein Kind, das sich vor einem Schatten an der Wand fürchtete. Als Utz einen Schritt auf sie zumachte, wich sie vor ihm zurück und schlug die Hand vor den Mund. »Zieh dich aus, du dumme Gans!«, herrschte ihre Großmutter sie an, und die junge Frau zuckte merklich zusammen. »Denk daran, was ich dir gesagt habe!«
Diese Worte hatten eine beängstigende Wirkung. Nachdem sie einige Lidschläge lang wie versteinert dagestanden hatte, zog sie die bebende Unterlippe zwischen die Zähne und begann, sich zu entkleiden. Als sie schließlich auch das dünne Untergewand abgestreift hatte, stand sie hilflos mitten im Raum und ließ den Kopf hängen. »Nun mach schon!«, hörte Utz die alte Hexe zischen. »Leg dich hin!« Da ihm das Mädchen wirklich leid tat, ergriff er ihre Hand und zog es auf das Bett zu. Dann schlüpfte auch er aus seinen Kleidern und schloss ergeben die Augen. Es gab keinen Ausweg! Wenn er
Weitere Kostenlose Bücher