Der Teufelsfürst
Hause zu holen. Er legte das Papier aus der Hand, um die Tinte nicht mit seinen Tränen zu verwischen. Dann stemmte er die Ellenbogen auf den Tisch und stützte das Kinn in die Fäuste. Ob es ihr gut ging? Ob der Herr tatsächlich seine schützende Hand über sie gehalten und sie vor weiterem Unheil bewahrt hatte? Mit diesen und zahllosen anderen Fragen zermarterte er sich das Hirn, bis sein neuer Verwalter schüchtern den Kopf zur Tür hereinsteckte und ihn bat, ins Erdgeschoss zu kommen. Ein Kunde wollte die Konditionen seiner Großbestellung nur mit dem Herrn des Hauses persönlich verhandeln. Die Geschäfte liefen gut. Und jetzt, wo er eine Familie zu ernähren hatte, musste Utz zusehen, dass das auch so blieb.
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Johann von Katzenstein fühlte sich immer noch, als habe man ihm eiserne Ketten abgenommen. Seit er sicher sein konnte, dass seine Mutter im Narrenhäuslein verrotten würde, begann mit jedem Tag das Leben für ihn neu. Seine wunderschöne Gemahlin Anna war vor Kurzem auf den Markt gegangen, um Leckereien für ihren Sohn zu erstehen, der mit knapp einem halben Jahr bereits groß und stark war. Wie sein Vater würde der Knabe ein tapferer Kämpfer werden, dessen war Johann sich sicher! Schon jetzt meinte er, erkennen zu können, dass ein Hüne in dem Jungen steckte, der seinen Gegnern Furcht und Schrecken einflößen würde. Ein echter Katzensteiner!
Was Helwig ihm vorgelogen hatte, war ohne Belang. Nie und nimmer würde er glauben, dass er von einem Dorfschmied abstammte! Er rollte die schmerzenden Schultern und versuchte, sich einzureden, dass ihn der Verlust seiner Heimatfestung nicht mehr tangierte. Schließlich war es in seinem Stadthaus weitaus weniger zugig und einsam als in Katzenstein, am Ende der Welt. Auch verfügte er dank seines Turniersieges über ausreichend Mittel, um sich selbst vor den wohlhabenden Ulmern nicht verstecken zu müssen. Und dennoch nagte hie und da Bedauern an ihm. Er hätte Helwig schon viel früher den Hals umdrehen sollen! Wenn er sich nicht all die Jahre vor ihren angeblichen Künsten gefürchtet hätte, wäre es nie so weit gekommen. Er fuhr sich mit der Hand über den kahlen Schädel und beschloss auszureiten. Zwar nannte er seit seiner Niederlage gegen die Gesellschaft mit Sankt Wilhelm nur noch einfache Pferde sein eigen. Doch besser einfache Pferde als gar keine Pferde! Als er den Stall betrat, stieß die kleine Stute, die Sophia ab und zu geritten hatte, ein leises Wiehern aus. Das Gefühl, das bei diesem Laut in ihm aufstieg, ließ Johann den Beschluss fassen, sie zu verkaufen. Wie so viele Dinge, die er aus seiner Gegenwart verbannt hatte, erinnerte sie ihn zu sehr an seine Tochter. Vermutlich würde er Sophia nie wiedersehen. Denn an einer Sache hatte Utz von Katzenstein keinen Zweifel gelassen: Er würde eigenhändig dafür sorgen, dass Johann seiner Mutter folgte, sollte er ihm jemals wieder unter die Augen treten. Und nachdem der Bursche jetzt Sankt Wilhelm hinter sich hatte, wollte Johann den Wahrheitsgehalt dieser Drohung lieber nicht auf die Probe stellen. Er stieß einen Seufzer aus und wies einen Knecht an, den temperamentvollsten Wallach zu satteln. Er sollte aufhören, sich zu grämen. Manches konnte man einfach nicht mehr ändern oder gar rückgängig machen! Während er dabei zusah, wie der Knecht die Trense ins Maul des Tiers schob, schüttelte er die unliebsamen Erinnerungen ab. Sophia war eine erwachsene Frau und ihr Gemahl weder bucklig noch ungestalt. Hätte Helwig sie mit diesem grässlichen Schreibersohn verheiratet, hätte es sie ganz bestimmt schlimmer getroffen. Irgendwann würden die beiden sich aneinander gewöhnen und vielleicht sogar Leidenschaft füreinander entwickeln. Das war nicht sein Problem. Er selbst musste dafür sorgen, dass es seinem Sohn an nichts fehlte. Er ließ sich den Steigbügel halten und stemmte sich auf den Rücken des Wallachs. Wann er den Jungen wohl das erste Mal vor sich in den Sattel heben würde?
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In seinem neuen Domizil in Leipheim hegte Ulrich von Helfenstein Gedanken ganz anderer Art. Er hatte auch an diesem Abend bereits mehr als nur einen Becher Wein zu viel geleert, und auch seine Gäste zechten und feierten nach Herzenslust.
Seit dem Ende der Fehde gegen Johann von Katzenstein fühlte er sich wie ein neuer Mensch. Das Leben war seit langer Zeit wieder voll und ganz lebenswert. Zwar konnte er sein Glück noch nicht mit einer Gemahlin teilen, aber die Freuden des Ehegemaches standen erst
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