Der Teufelsfürst
war ihnen vorausgeeilt. Nur einige Walachen schwiegen und beäugten die türkischen Soldaten mit Misstrauen, doch Vlad nahm die wenigen verbiesterten Gesichter kaum wahr. Als er schließlich im Hof des Fürstenpalastes aus dem Sattel sprang, weinte er vor Freude.
Er war zuhause! Nach über acht Jahren war er endlich wieder zuhause! Die Bewaffneten, die zurückgeblieben waren, um den Palast zu bewachen, überlegten es sich nicht zweimal, ob sie sich dem Sohn ihres ehemaligen Woiwoden entgegenstellen oder diesen mit offenen Armen willkommen heißen sollten.
Nie zuvor waren Vlad die abweisenden Mauern und Türme der Festung so einladend erschienen wie am heutigen Tag.
Selbst die palasteigene Kirche wirkte weniger streng, als er sie in Erinnerung hatte. Sein Blick blieb an den bunt verglasten Fenstern des Saales haften, in dem für gewöhnlich der Staatsrat zusammenkam, und er lächelte.
Die meisten Mitglieder dieses Rates – die Bojaren – waren mit Wladislaw in den Krieg gezogen. Von dieser Seite gab es derzeit also nichts zu befürchten. Zwar nahm Vlad an, dass die Bojaren ihm als Sohn des Drachen ihre Stimmen geben würden, sollte es zu einer Wahl kommen; aber man konnte nie wissen. Er riss sich von den Fenstern los und straffte die Schultern. Das waren Feinheiten, um die er sich vorerst nicht zu kümmern brauchte. Mit klopfendem Herzen ließ er sich von einem Diener in die große Halle des Palastes führen. Dort angekommen blinzelte er verdutzt, denn diese kam ihm wesentlich kleiner vor, als er sie in Erinnerung hatte. Das gleiche Gefühl hatte ihn bereits beim Überqueren des Marktplatzes beschlichen. Auch die Gemächer seines Vaters schienen geschrumpft zu sein, als er diese kurz darauf betrat. Kaum hatte er die Schwelle überschritten, schlug seine Stimmung um: Die Freude wich einem überwältigenden Gefühl des Verlustes. Das Herz schwer vor Trauer ließ er den Blick über die dunkle Holztäfelung und die gekreuzten Lanzen an der Wand gleiten, die sein Vater als Erinnerung an seine größte Schlacht dort befestigt hatte. Dann blieben seine Augen an etwas hängen, das die Trauer in Zorn verwandelte. »Verbrennt das!«, befahl er zwei weiteren Bediensteten und zeigte auf ein Banner mit Wladislaws Farben, das über der gewaltigen Feuerstelle in der Schlafkammer des Woiwoden prangte. Vlads Blut geriet in Wallung. »Und das hier auch!«, fügte er zornig hinzu und fegte eine geschmacklose Schnitzerei vom Nachttisch seines Vaters. Noch ehe der Tag sich dem Ende neigte, hatte Vlad alle Spuren des Thronräubers beseitigt.
»Morgen werde ich ein Bankett geben«, verkündete der neue Fürst der Walachei an diesem Abend in der Halle. »Ladet alles ein, was Rang und Namen hat. Man soll mich feiern!«
Dann klatschte er in die Hände und wies den Aufseher an, das Essen auftragen zu lassen. Da außer seinen türkischen Verbündeten nur noch eine Handvoll uralter Bojaren anwesend war, verlief das Mahl relativ ruhig. Und schon bald zog Vlad sich zurück, um das erste Mal seit Jahren wieder unter seinem eigenen Dach zu schlafen. Sobald sein Çokadar ihm die Haken und Knöpfe geöffnet hatte, schickte er den Jungen aus dem Raum und entkleidete sich. Dann schlug er die Bettdecke zurück und kletterte in das riesige Bett. Mit einem wohligen Seufzen lauschte er auf das Rascheln der Daunen und zog den wohlbekannten Geruch von Holz, Ruß und walachischem Stein ein. Er fühlte sich wie in Abrahams Schoß. Erschöpft schloss er die Augen und wartete darauf, dass ihn der Schlaf einhüllte. Doch kaum hatte er sich auf die Seite gerollt und die Nase in den Kissen vergraben, krochen ungewollte Erinnerungen in seinen Kopf. Urplötzlich befand er sich mit Radu und ihrem Vater auf ihrer ersten Wolfsjagd. Während der Schnee unter den Kufen des Schlittens knirschte, klammerte Radu sich an Vlad fest, da das Geheul der wilden Tiere ihn ängstigte. Dicke Schneeflocken sorgten dafür, dass man kaum weiter als einen Steinwurf sehen konnte. Radu begann zu jammern, dass ihm die Füße abfroren. Vlad grunzte etwas Unverständliches und drehte sich wütend auf die andere Seite. Aber wenig später gesellten sich weitere Bilder zu der Wolfsjagd.
Nachdem er sich ein Dutzend Mal vergeblich umgedreht hatte, resignierte er schließlich, warf die Decke auf den Boden und setzte sich auf, um eine Kerze zu entzünden. Warum gelang es ihm nicht, Radu aus seinem Kopf zu verbannen, fragte er sich aufgebracht. Sein Bruder war ein Verräter! Er vergrub die
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