Der Teufelsfürst
einmal an zweiter Stelle. Ganz obenan stand sein Augapfel, der in diesem Augenblick die Nase in einem Eimer Bier vergrub. Weinselig lehnte sich Ulrich auf der gepolsterten Bank zurück und sah dabei zu, wie sein Apfelschimmel das schäumende Getränk soff und dann den Schweif hob, um den Dielenboden mit einem weiteren Haufen zu verunzieren. Die alte Köchin, welche offenbar bisher das Zepter im Haushalt der Festung geschwungen hatte, bedachte ihn mit einem bissigen Blick, bevor sie wieder in die Küche verschwand, um weiter für das leibliche Wohl der Männer zu sorgen. Als Ulrich vor einer Stunde den Befehl gegeben hatte, das Vollblut aus dem Stall zu holen, hatten ihn auch seine Ritter schief angesehen. Doch selbst wenn sie ihn für den größten Narren auf Gottes Erdboden hielten, würde er seinen kostbarsten Besitz so schnell nicht wieder aus den Augen lassen. Aus irgendeinem Grund fürchtete er, dass sich der Araberhengst in Luft auflösen könnte, wenn er ihn zu lange den Stallknechten überließ. Er hatte Sorge, sich alles nur eingebildet zu haben und musste sich immer wieder vergewissern, dass das Tier nicht nur eine Sinnestäuschung war. Er stellte seinen Becher ab und rülpste herzhaft. Nach all dem, was sich in letzter Zeit ereignet hatte, war es eh vollkommen ohne Belang, was andere von ihm dachten.
Kapitel 67
Sofia, Ende September 1448
Es hatte länger gedauert, als Vlad angenommen hatte, bis alle Truppen versammelt waren. Doch jetzt, Ende September, waren auch die letzten Mitglieder der Provinzinfanterie in Sofia eingetroffen. Die Temperaturen waren zum Leidwesen der gepanzerten Reiter und Fußsoldaten immer noch sommerlich. Sultan Murad hatte die vergangenen Wochen damit zugebracht, seine Truppen zu reorganisieren, denn inzwischen rechneten die Türken jeden Tag mit dem Auftauchen der ungarischen Streitmacht. Späher durchstreiften das Umland in einem Umkreis von einhundert Meilen, doch bisher ließen Hunyadis Truppen auf sich warten. Vlad saß wie auf glühenden Kohlen. Wenn nicht endlich Bewegung in das Meer aus bunten Zelten und Bannern kam, würde er vor Ungeduld zerbersten! Zusammen mit der kleinen Truppe, die der Sultan ihm unterstellt hatte, lagerte er ganz am Rand der Zeltstadt, da er und seine Männer direkt in die Walachei ziehen würden.
Das war jedoch erst möglich, wenn die Kerntruppen der beiden Streitmächte sich aufeinander zubewegten. Denn sonst war das Risiko, dass man ihnen den Weg abschnitt und sie auslöschte, zu groß. Während er einen Teil der Hilfstruppen – die Schneider, Bäcker und Waffenschmiede – bei der Arbeit beobachtete, kaute Vlad an den Fingernägeln und lauschte auf die Signalrufe der Vorposten. Diese wurden von anderen Posten aufgegriffen und weitergegeben, bis sie das Lager erreichten. Als eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang endlich die Imame der einzelnen Einheiten zum Gebet riefen, war er froh, dass wieder ein Tag vorbei war. Nach dem Gebet wurden Kanonen abgefeuert und die Männer stimmten einen Ruf an, mit dem sie dem Padischah sowie ihren Kommandanten und Offizieren Glück und Gesundheit wünschten. Dann zogen sich die Soldaten in ihre Zelte zurück und es wurde still im Lager.
Wie nahezu jede Nacht lag Vlad lange wach. Selten fand er mehr als ein oder zwei Stunden Schlaf. Kaum verkündeten die Vögel die heraufziehende Dämmerung, war er wieder auf den Beinen.
Doch erst zwei Tage später war es endlich so weit. Den Spähern zufolge hatte Hunyadis Streitmacht sechzig Meilen nordwestlich von Sofia die Richtung geändert und näherte sich Albanien, um dort – das war die Annahme – mit Kastriotas Truppen zusammenzutreffen. Als der Sultan diese Neuigkeit erfuhr, befahl er augenblicklich den Aufbruch. Und schon bald erklangen die großen Kesseltrommeln. Während sich das osmanische Heer in Windeseile formierte, ordnete Vlad seine eigene kleine Truppe. Kurz darauf trabten sie auf das Balkangebirge im Norden zu, dessen Überquerung ihnen weniger Probleme bereitete, als er befürchtet hatte. Die Passstraßen waren in gutem Zustand, sodass sie schon bald die andere Seite des Gebirgskamms erreicht hatten. Dort folgten sie der Donau bis zur Festung Giurgiu, wo sie auf keinerlei Widerstand stießen. Dann durchquerten sie die walachische Tiefebene, ohne feindlichen Truppen zu begegnen. Keine vierzehn Tage später ritten sie in Tirgoviste, der Hauptstadt der Walachei, ein, wo sie jubelnd von der Bevölkerung empfangen wurden. Die Nachricht von Vlads Rückkehr
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