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Der Teufelsfürst

Der Teufelsfürst

Titel: Der Teufelsfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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er nur noch drei Schritte von ihm entfernt war, hob sein Bruder den Blick der schwarz umrahmten Augen und musterte ihn ausdruckslos.
    »Vlad«, sagte er nach einigen Augenblicken, als habe es ihn so viel Zeit gekostet, den älteren Bruder zu erkennen.
    »Was willst du?« Seine Stimme klang resigniert und seine Augen wanderten zurück zu seinen Fingernägeln. »Du weißt, was ich will«, erwiderte Vlad. »Ich will, dass du mit mir zurück in die Walachei kommst, sobald der Sultan den Aufbruch befiehlt.« Einige Atemzüge lang schien es, als gäbe es nichts Interessanteres auf der Welt als Radus Fingernägel. Doch dann stieß der Jüngere einen Seufzer aus, zog die Hände zurück und gab dem Pagen zu verstehen, dass er sich zurückziehen sollte.
    »Dein Platz ist bei deinem Volk«, setzte Vlad hinzu.« »Doch wohl eher bei deinem Volk«, gab Radu zurück und erhob sich.
    »Das heißt, im Moment ist es wohl eher Wladislaws Volk.«
    Er verschränkte die Arme vor der Brust und schob das Kinn vor, wie er es auch früher immer getan hatte, wenn er sich mit jemandem gestritten hatte. Diese kindliche Geste stand in solch drastischem Kontrast zu der Härte, die seine mädchenhaften Züge plötzlich gar nicht mehr mädchenhaft wirken ließ.
    Vlad blinzelte erstaunt. Hatte er die Veränderung in Radus Wesen bisher auf den Einfluss des Prinzen und die lächerliche Aufmachung geschoben, war er sich mit einem Mal nicht mehr so sicher. »Wladislaw wird schon bald durch meine Hand sterben!«, verkündete er. Doch Radu wirkte wenig beeindruckt.
    »Ich habe dir bereits gesagt, dass ich hierbleiben werde«, beschied der Jüngere. Vlad erschrak, denn plötzlich erkannte er die bittere Wahrheit, die er so lange geleugnet hatte: Radu war ein Fremder geworden! Nichts an dem aufgeputzten Püppchen, das hier vor ihm stand, erinnerte mehr an den Knaben, der Vlad einst vergöttert hatte. Egal, wie sehr er sich eingeredet hatte, ihn umstimmen zu können, in diesem Moment begriff er, dass er Radu für immer verloren hatte. Als sei der Schmerz, den diese Erkenntnis ihm bereitete, nicht genug, drehte Radu das Messer in der Wunde hin und her.
    »Ich kann mich nicht mehr an meine Heimat erinnern!«, stieß er hervor. »Das hier ist meine Heimat!« Er fuchtelte mit den Händen in alle Richtungen. »Und der Prinz ist mein Beschützer!« Zwei rote Flecken auf seinen Wangenknochen waren die einzige Farbe in dem sonst blutleeren Gesicht des Knaben. »Warum ist es dir denn ausgerechnet jetzt so wichtig, mich mitzunehmen? Vorher hat es dir doch nie etwas ausgemacht, mich hier zurückzulassen!« Er kehrte Vlad abrupt den Rücken zu und trat hinaus auf den kleinen Balkon vor dem Fenster. »Ich bleibe hier. Jetzt lass mich bitte allein.« Es waren dieselben Worte, mit denen er Vlad schon beim letzten Mal von sich gestoßen hatte. Einige qualvolle Augenblicke starrte der Ältere auf den Rücken seines Bruders, als könne er ihn dadurch zwingen, sich wieder umzuwenden. Doch nichts geschah. Da er fürchtete, etwas Unbedachtes zu tun, machte er zu guter Letzt auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Gemach. Im Korridor angekommen, wandte er sich blindlings in irgendeine Richtung, fegte an verdutzten Bediensteten und Höflingen vorbei, bis er sich irgendwann in einem der vielen Gärtchen wiederfand. Dort, im Schutz einer mächtigen Säule, gab er den Kampf auf und ließ den Dämon frei, der seit dem Krieg in Albanien in seiner Seele hauste. Während sich die Dunkelheit immer weiter in ihm ausbreitete, verbannte er Radu für alle Zeiten aus seinem Herzen. Genau wie Hunyadi und all die anderen würde Radu fortan zu seinen Todfeinden zählen – den Todfeinden, die der Drache früher oder später mit seinem Feuer vernichten würde! Während sich schreckliche Visionen in seinem Kopf jagten, riss er die Liebe für seinen kleinen Bruder mitsamt der Wurzel aus und schwor sich, niemals wieder einen anderen Menschen an sich heranzulassen. Liebe schwächte selbst den stärksten Mann! Und Schwäche konnte er sich nicht leisten!
    ****
    Eine Woche nach der Begegnung mit Radu brach das osmanische Heer nach Sofia auf. Dort warteten bereits die Truppen aus Rumelien – der auf dem Balkan gelegenen Provinz des Reiches. Vlad ritt an der Spitze der schweren Kavallerie, vor sich mehrere Einheiten Akıncıs und leichte Kavallerie, hinter sich die Infanterie, die Versorgungstruppen und die Artillerie.
    Der Sultan und Prinz Mehmet schwammen inmitten der Janitscharenleibgarde in dem

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