Der Teufelsfürst
zurückgekehrt war und Mehmet wieder als Gouverneur in die Provinz geschickt worden war. Vlad presste die Kiefer aufeinander. Wo er hoffentlich jetzt auch wieder war und bleiben würde, bis er verrottete! Warum hatte Radu auch nur so ungeschickt sein müssen, kurz vor dessen Absetzung vor Mehmet zu stolpern und einen Krug Wein zu verschütten? Wäre dieses Missgeschick nicht geschehen, hätte er niemals Mehmets Aufmerksamkeit auf sich gezogen, da der blutjunge Sultan andere Sorgen hatte als die walachischen Geiseln. Unvermittelt flammte lodernder Hass in Vlad auf.
Bevor dieser ihn jedoch überwältigen konnte, zwang er sich mühsam, ihn zu schlucken. Der Rachedurst trieb ihm das Blut in den Kopf und sorgte dafür, dass der Kopfschmerz mit neuer Macht einsetzte. Nachdem er einige Male tief ein-und ausgeatmet hatte, ließ das dumpfe Pochen wieder nach und es gelang ihm, sich zu beruhigen. Irgendwann würde die Zeit der Rache kommen. Und dann würde er Mehmet eigenhändig auf einem Pfahl aufspießen – so wie er es geträumt hatte – und jede Sekunde der Qual in sich aufsaugen! Eine Zeit lang verlor er sich in der Vorstellung, wie der Prinz ihn um Gnade anflehen würde, und wie er selbst stattdessen die Folter in die Länge ziehen würde. Weder Gott noch Allah werden dir helfen können, wenn ich dich irgendwann in die Hände bekomme, dachte er und ballte die Fäuste. Denn dann wirst du die Hölle auf Erden erleben! Die Vorstellung des winselnden Prinzen erfüllte ihn mit einer wohligen Wärme, die er eine Weile genoss, ehe er seinen Gedanken erlaubte, weiterzuwandern. Wenn er die Zeichen richtig deutete, war Halil Pascha, der Großwesir, auf seiner Seite. Gerüchten zufolge hatte dieser die Janitscharen zu ihrem Aufstand aufgewiegelt, um Sultan Murad zurückzuholen. Denn Halil Pascha verachtete Mehmet. Da er Vlad eigenhändig aus dem Kerker befreit hatte, konnte das nur bedeuten, dass er ein gewisses Interesse an ihm hatte. Jedenfalls hoffte Vlad dies. Denn wenn der Großwesir ihn unter seine Fittiche nahm, würde ihm vielleicht tatsächlich das Gleiche gelingen wie Georg Kastriota!
Er tastete nach der Drachenbrosche, die er in seinem Shalvar – der dünnen Pluderhose – verborgen hatte. Ich werde meinen Eid halten, dachte er. O quam misericors est Deus. Iustus et pius. Oh, wie barmherzig ist Gott. Gerecht und fromm. Das war die Devise des Ordens, in den er zum Stolz seines Vaters bereits mit fünf Jahren eingeführt worden war. Wenn er vom heutigen Tag an klug agierte, würde es ihm irgendwann mit Hilfe seiner Ordensbrüder gelingen, die Christenheit gegen die Heere der Heiden zu verteidigen! Er faltete die Hände vor der Brust und schloss die Augen. Auch wenn es im Moment nicht so aussah, als ob Gott barmherzig und gerecht war, durfte er niemals an seiner Gnade zweifeln. Das, was geschehen war, musste eine Strafe sein für Verfehlungen, welche er und Radu unwissentlich begangen hatten. Wenn Vlad fortan auf dem rechten Weg blieb und sein Herz auch vor dem allerkleinsten Zweifel verschloss, würde der Herr sein Angesicht wieder über ihm und seinem Bruder leuchten lassen. Hochmut und Stolz hatten ihn zu Fall gebracht, Demut und Gehorsam würden ihn aus dieser furchtbaren Notlage befreien, daran musste er einfach glauben! Gott würde dafür sorgen, dass die Lästerer am Ende den Lohn erhielten, den sie verdienten. Diese Gewissheit würde er sich von niemandem nehmen lassen! Die Finger seiner Rechten wanderten unbewusst von der Brosche zu dem Brandmal an seiner Schulter. Wenngleich es ein Zeichen der Schande war, erfüllte es ihn seltsamerweise mit einem Gefühl, das er nicht in Worte fassen konnte. Zwar trug jedes Mitglied des Drachenordens das goldene Abzeichen bei sich, doch war er mit Sicherheit der Einzige, dessen Körper für immer unauslöschlich damit gezeichnet war. Vielleicht war er dadurch zu einem Auserwählten geworden. Zum tatsächlichen Sohn des Drachen, nicht nur zum Sohn eines Vaters, der Dracul – der Drache – als Beinamen trug. Dracul , was in der Sprache seiner Landsleute allerdings auch der Teufel bedeutete. »Vlad Draculea«, murmelte er. »Der Sohn des Drachen.« Mit einem Mal hatte sein eigener Beiname eine ganz neue Bedeutung. Drache für die christlichen Mitstreiter, Teufel für seine gottlosen Gegner! Ehe er den Gedanken weiterspinnen konnte, näherten sich zwei Palastwachen seinem Lager und er zog unwillkürlich den Kopf ein. Die beiden Soldaten hatten ihn schon fast erreicht, als der
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