Der Teufelsfürst
»Anstatt sie auf die lange Bank zu schieben oder einfach zu ignorieren!« Auch wenn von innen ein Schlüssel im Schloss steckte, gab Sophia der Versuchung nach und lugte durch das Schlüsselloch. Wie vermutet, stand ihre Großmutter mitten im Raum und sah herrisch auf ihren Vater hinab.
Dieser schüttelte missmutig den Kopf. »Wenn du mir doch nur endlich sagen würdest, wie mein Vater an diese Schenkungsurkunde gekommen ist«, sagte er. Doch Helwig winkte wegwerfend ab. »Das braucht nicht einmal der Advocatus zu wissen. Alles, was zählt, ist die Prüfung des Transsumptsiegels.
Und das wird sich als echt herausstellen. Was aus der ursprünglichen Urkunde geworden ist, interessiert dann niemanden mehr.« Sie trat einen Schritt von Johann zurück, machte eine ungeduldige Geste und schürzte die Lippen. »Ich dachte, dieses Haus hier sei dir nicht prächtig genug«, versetzte sie spöttisch. »Bist nicht du derjenige, der Unsummen für Tand verschleudert?« »Pferde und Rüstungen sind kein Tand!«, brauste Johann auf, aber Helwigs Gesichtsausdruck brachte ihn zum Schweigen. »Wenn du weiter so mit dem Geld um dich wirfst«, sagte sie kühl, »wird bald nichts mehr übrig sein. Anstatt dich darum zu kümmern, ob der Bader die Wahrheit gesagt hat oder nicht, solltest du mir lieber dankbar dafür sein, dass schon bald du einer der reichsten und angesehensten Männer der Stadt sein wirst!« Zu ihrem grenzenlosen Entsetzen sah Sophia, wie sich die Stirn ihres Vaters glättete und ein Lächeln seine finstern Züge erhellte. »Wenn du es natürlich so siehst …« Er ließ den Satz unbeendet und erhob sich. Als er Anstalten machte, sich der Tür zu nähern, raffte Sophia den Stoff ihres Gewandes und huschte auf Zehenspitzen den Korridor entlang. Am Ende des Ganges schlüpfte sie hastig in ihre eigene, winzige Kammer und lehnte sich mit klopfendem Herzen gegen einen Holzbalken. Mit der Rechten griff sie nach einem der Kruzifixe an ihrem Hals, während sie mit den Zähnen ihre Unterlippe bearbeitete.
Hatte sie richtig gehört? Helwig war schuld am Unglück des Mädchens? Ein Frösteln ließ sie die Arme unterschlagen.
Wäre die junge Frau auch ohne die Aussage des Baders verurteilt worden? Oder war es einzig Helwigs Intrige zu verdanken, dass diese für immer aus ihrer Heimatstadt verbannt worden war? Sie stöhnte leise. Was sollte sie jetzt tun? War es nicht die Pflicht eines jeden guten Christen, ein solches Unrecht anzuzeigen? Musste sie nicht augenblicklich irgendjemanden davon in Kenntnis setzen, dass der Bader die Unwahrheit gesagt hatte? Sie trat an den kleinen Hausaltar in der Ecke und fiel auf die Knie. »Allmächtiger Vater, hilf mir«, begann sie und presste die Handflächen aneinander, um Gottes Beistand zu erflehen. Doch ihre Gedanken schweiften schon bald wieder von dem Gebet ab. An wen sollte sie sich wenden? Wer würde ihr schon glauben? Und selbst wenn man ihr glauben sollte, durfte sie einfach ihr eigen Fleisch und Blut verraten? Sie senkte den Blick und zermarterte sich weiter das Gehirn. Wenn sie doch nur auf Burg Katzenstein wäre! Dann könnte sie sich ihrem Beichtvater anvertrauen. Während sich ein nagendes Schuldgefühl in ihrer Brust ausbreitete, versuchte sie, nicht daran zu denken, wie es der jungen Frau mutterseelenallein vor den Toren der Stadt erging.
Kapitel 16
Ulm, ein Unterstand vor der Stadt, 1447
Der Schrei einer Eule ließ Utz von Katzenstein zusammenfahren. Frierend kauerte er sich näher an das kleine Feuer, das er in dem Unterstand auf der Koppel entzündet hatte, und tastete nach der Waffe an seinem Gürtel. Seit er die Stadt kurz vor Schließung der Tore verlassen hatte, schien es mit jeder Minute kälter zu werden. Inzwischen hatte er jedes Gefühl in seinen Zehen verloren. Mit steifen Gliedern erhob er sich, um zum ungezählten Mal die Brettertür zu öffnen und in die Nacht hinauszuhorchen. Aber auch dieses Mal verkündete kein ungewöhnliches Geräusch, kein Knacken oder Knirschen, dass seine Schwester sich näherte. Wo blieb sie nur? Eigentlich hatte er erwartet, sie bereits in dem Schuppen anzutreffen.
Doch dann war ihm klar geworden, dass sie zuerst den Fluss überqueren musste, um die Koppeln ihres Vaters zu erreichen.
Etwa eine Meile zu seiner Linken flackerten die Feuer der Fahrenden, die sich seit einigen Tagen vor der Stadt aufhielten. Allerdings drangen nur wenige Geräusche aus ihrem Lager bis zu ihm, da der Wind aus Osten blies. Hoffentlich war Zehra nichts
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