Der Teufelsfürst
Hekim aus den Tiefen des Hospitals auf sie zugeschossen kam und protestierte: »Er ist noch nicht vollkommen genesen. Ihr bringt ihn um, wenn ihr ihn noch einmal foltert!«
Eine Gänsehaut breitete sich über Vlads Rücken aus.
Plötzlich fingen die halb verheilten Wunden wieder an zu schmerzen. Alle Gewissheit und Zuversicht zerbarst im Angesicht der Wachen in tausend Stücke. Furcht ergriff Besitz von ihm. Wollte der Herr ihn noch einmal prüfen? Nur mühsam unterdrückte er ein Zittern, während er sich um einen steinernen Gesichtsausdruck bemühte. Um nichts in der Welt wollte er die Männer seine Angst sehen lassen. »Der Großwesir hat ihn zu sich befohlen«, brummte einer der Soldaten.
»Er will ihn sehen, sobald er sich alleine auf den Beinen halten kann.« Der Hekim warf Vlad einen kritischen Blick zu, ehe er erwiderte: »Da muss er sich noch ein paar Tage gedulden. Vor dem Yaum al-hamīs , dem fünften Tag, wird er nicht in der Lage sein, das Darüssifa zu verlassen.« Einer der Soldaten bedachte Vlad mit einem abfälligen Blick. »In meinen Augen sieht er gesund aus«, sagte er und machte einen Schritt auf Vlad zu. »Kommt in drei Tagen wieder!«, bellte der Hekim und vertrat ihm den Weg. Einige Augenblicke sah es so aus, als wolle der Bewaffnete den Arzt einfach zur Seite schieben.
Doch dann zuckte er die Achseln und gab seinem Begleiter ein Zeichen. Sobald die beiden ihm die breiten Rücken zukehrten, ließ Vlad erleichtert die Luft aus den Lungen entweichen, die er – ohne es zu bemerken – angehalten hatte. Während er vorgab, geschwächt zurück in die Kissen zu sinken, arbeitete sein Gehirn fieberhaft. Warum wollte der Großwesir ihn sehen?
Sollte es möglich sein, dass sich tatsächlich ein Weg auftat, wie er und Radu ihre Lage verbessern konnten? Sollte etwa endlich der Richtige Notiz von ihnen genommen haben? Sein Mund wurde trocken, als er sich ausmalte, was der Befehl des Großwesirs alles bedeuten konnte.
Kapitel 18
In der Nähe von Ulm, Februar 1447
Es war, als sei Zehra in einem Block aus Eis gefangen. Der Dämon, der sie seit einer scheinbaren Ewigkeit umklammert hielt, schien zwar allmählich an Kraft zu verlieren. Aber die Kälte, die sich von seinen Klauen auf sie übertrug, war so schrecklich, dass es ihm auch mit weniger Gewalt gelang, sie heftig zu schütteln. Während das Tosen in ihren Ohren mal anschwoll, mal abklang, breitete sich mit jedem Atemzug ein stechender Schmerz in ihrer Brust aus, der immer mehr zunahm. Das Gefühl, ersticken zu müssen, war so gewaltig, dass Zehra alle Kraft zusammennahm und versuchte, den Mund zu öffnen, um möglichst viel der kostbaren Luft einzusaugen.
Doch anstatt Erleichterung brachte jedes Heben und Senken ihres Brustkorbes nichts als Pein – begleitet von einem seltsamen Blubbern und Pfeifen. Während sie sich vergeblich bemühte, gegen das Schlottern anzukämpfen, nahm sie allmählich Stimmen wahr. Und als jemand nach ihren Beinen griff, schrak sie mit einem heiseren Laut aus der Benommenheit auf. Obgleich ihre Lider schwer waren wie Blei, gelang es ihr nach einigen fruchtlosen Versuchen, die Augen zu öffnen.
Doch was sie erblickte, ließ sie ein wimmerndes Geräusch ausstoßen. Sie war in der Hölle, in der ewigen Finsternis! Der Dämon hatte sie in die entlegensten Winkel des Schattenreiches gezerrt, in denen schwarze Teufel ihr Unwesen trieben.
Dicht über ihr schwamm ein dunkles Gesicht mit hässlichen Verunzierungen in ihr Blickfeld. Als die Kreatur die Hände hob und das Maul aufriss, wollte Zehra laut aufschreien. Lefzen und Hände des Ungeheuers waren schwarz-rot gefärbt, als habe es erst vor Kurzem das Blut seiner Opfer getrunken und in ihren Eingeweiden gewühlt. An den Ohren der Gestalt funkelten goldene Ringe, und das dunkle Kraushaar wurde von einem Tuch halb verborgen. Hinter dem Unwesen tauchten andere Teufel auf, die einen bedrohlichen Kreis um Zehra bildeten.
Finger tasteten nach ihren Armen, Beinen und ihrem Kopf. Und obwohl sie sich verzweifelt wehren wollte, gehorchten ihre Glieder ihr nicht. Die schrecklichen Bestien begannen, in einem unverständlichen Kauderwelsch miteinander zu reden – in einer Sprache voller Zisch-und Fauchlaute.
Einer der Dämonen trug ein Bündel um den Hals, das sich plötzlich bewegte und einen durchdringenden Schrei ausstieß.
Das Grauen drohte Zehra erneut die Besinnung zu rauben.
Ein kurzer Ruf sorgte dafür, dass Klauen mit Kerzen aus dem Hintergrund auftauchten. Als die
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