Der Teufelsfürst
zugestoßen! Bei all dem Abschaum, der sich vor den Toren herumtrieb, war es mehr als nur gefährlich, allein im Dunkeln durch die Gegend zu streifen. Er legte den Kopf schief, um besser hören zu können, aber außer dem Heulen des Windes in den kahlen Wipfeln war nichts auszumachen. Mit sorgenvoll gerunzelter Stirn trat er zurück in den Unterstand und verrammelte die Tür. Dann hockte er sich wieder vor das Feuer und legte einige trockene Äste nach.
Noch immer brannte ein überwältigender Zorn in ihm, wenn er an die Gerichtsverhandlung zurückdachte. Die Scham in Zehras Gesicht, als man sie vor aller Augen entblößt und somit für immer entehrt hatte, würde er vermutlich niemals vergessen können. Wie hatte diese falsche Schlange Ita nur all diese Lügen von sich geben können, ohne augenblicklich tot umzufallen? Und wer, bei allen Dämonen der Hölle, war dieser verdammte Bader, der behauptete, Zehra habe ihn dafür bezahlt, ihren Vater zu vergiften? Er zog mit einem leisen Fluch den Finger zurück, mit dem er sich an der Flamme verbrannt hatte, und grübelte weiter. Da Zehra es ganz gewiss nicht gewesen war, wer hatte dann ihren Vater auf dem Gewissen? Vorausgesetzt, der Stadtarzt sagte die Wahrheit und Karl von Katzenstein war tatsächlich keines natürlichen Todes gestorben. Utz spürte, wie sich ein Kopfschmerz in seine Schläfen stahl. »Seine Leber war löchrig und beinahe vollkommen zersetzt, was darauf hindeutet, dass er vergiftet worden ist.« Waren nicht das die Worte des Arztes gewesen?
Während sich die Gedanken in seinem Kopf im Kreise drehten, beschloss er, sobald wie möglich den Bader ausfindig zu machen und – wenn nötig – die Wahrheit aus ihm herauszuprügeln. Vielleicht war es dann gar nicht nötig, eine Gnadenbitte vor dem Rat vorzubringen, wie es der Prokurator Jakob Löw empfohlen hatte. »Das ist die einzige Möglichkeit, wie das Urteil des Stadtgerichtes aufgehoben oder in eine Geldstrafe umgewandelt werden kann«, hatte der junge Jurist Utz zu verstehen gegeben. Das Wiehern eines Pferdes ließ ihn den Kopf heben und zurück zur Tür eilen, die er einen Spalt weit öffnete. In einiger Entfernung, am Ufer des Flusses, waren Fackeln zu sehen. Und nach einigen Augenblicken erkannte Utz, dass es sich um ein offenbar verspätetes Schiff handelte, das die Donau hinauf getreidelt wurde. Desinteressiert wandte er sich wieder ab und kehrte zur Feuerstelle zurück.
Stunde um Stunde verstrich, ohne dass seine Schwester auftauchte. Als schließlich um die siebte Stunde die Sonne aufging, gab er das Warten auf und kämpfte sich zurück auf die Beine. Mit sorgenschwerem Herzen verbarg er den Sack, den er für Zehra mitgebracht hatte, unter einem Haufen Stroh – in der Hoffnung, dass sie ihn finden würde, wenn sie den Unterstand erreichte. Wenn ! Sein Herz zog sich zusammen, als er sich ausmalte, was das Ausbleiben seiner Schwester alles bedeuten konnte. Vielleicht hatte sie einfach nicht rechtzeitig eine Brücke gefunden und sich irgendwo verborgen, ehe die Nacht hereingebrochen war. In diesem Fall würde sie im Laufe des heutigen Tages zu dem Versteck gelangen und sicherlich warten, bis Utz zurückkehrte. Die anderen Möglichkeiten, die ihn schwerer atmen ließen, wollte er sich nicht vorstellen. Der Gedanke, dass Zehra die Nacht ohne ein wärmendes Feuer hatte verbringen müssen, war schlimm genug. Was sonst noch geschehen sein konnte, durfte er sich erst gar nicht ausmalen!
Nach einem letzten Blick auf den Strohhaufen schob er die Tür auf und trat hinaus in den eisigen Februarmorgen. Obschon der Himmel erst in einem schwachen Rot erstrahlte, näherten sich bereits die ersten Reisenden, welche die Nacht in einem der nahe gelegenen Dörfer zugebracht hatten. Da heute Markttag war, strömten auch schon die Bauern der Umgebung auf Ulm zu, um ihre Waren dort an den Mann zu bringen. Mit der zentnerschweren Last der Sorge auf der Seele trottete Utz über die verschneite Koppel und drückte sich wenig später an den Torwächtern vorbei in die Stadt. Diese hatten ihn am vergangenen Abend zwar misstrauisch beäugt und sicherlich den richtigen Verdacht gehegt, als er schwer bepackt die Stadt verlassen hatte. Aber keiner hatte gewagt, den Sohn eines der einflussreichsten Händler der Stadt aufzuhalten. Ganz egal, wie verboten es war, einem Verbannten zu helfen. Auch jetzt bedachten sie ihn lediglich mit einem desinteressierten Blick, bevor sie sich wieder den Reisenden zuwandten.
Er würde die
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