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Der Teufelsfürst

Der Teufelsfürst

Titel: Der Teufelsfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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aus Zehra geworden war. Ob sie überhaupt noch am Leben war? Er verneinte die Frage und blies die Wangen auf. »Ich erwarte bald Neuigkeiten«, ließ er den Prokurator wissen und hielt ihm die Tür auf. »Ich danke Euch für die gute Nachricht.« Er wusste, dass es unhöflich war, seinen Besucher einfach so hinauszuwerfen, doch für Höflichkeiten hatte er einfach keine Kraft mehr. »Ihr werdet sie schon finden«, sagte Jakob Löw, während er Utz freundschaftlich die Hand auf die Schulter legte. »Vertraut auf Gott.« Es hätte nicht viel gefehlt und Utz hätte gelacht. Da sein Rechtsbeistand es allerdings ernst meinte, verzog er den Mund zu einem freudlosen Lächeln. »Das werde ich«, murmelte er, obwohl er immer öfter fürchtete, dass Gott einen Groll gegen ihn und seine Familie hegte. Wie sonst sollte er sich all das Unglück erklären, das so ohne jegliche Vorwarnung über sie hereingebrochen war.
    Nachdem Jakob Löw die Treppe hinab verschwunden war, stand er einige Augenblicke reglos im Türrahmen, bevor er sich zusammennahm und einen Armvoll Briefe vom Tisch holte, um sie einem der Boten in die Hand zu drücken. Die Geschäfte mussten ordnungsgemäß weiterlaufen, ganz egal, was auch geschah. Ein schwaches Lächeln huschte über sein Gesicht, als er kurz mit dem Gedanken spielte, die für den Frühjahrsmarkt benötigten Schnitzarbeiten persönlich bei Hans Multscher abzuholen. Da dessen Werkstatt bei den Barfußen – also in der Nähe der Barfüßerabtei – inzwischen weit über Ulm hinaus bekannt war, würden wieder zahllose reiche Bürger und Adelige ein Werk von ihm erstehen wollen. Utz’ Lächeln verbreiterte sich. Auch wenn die Miniaturausgaben des Schmerzensmannes, welcher das Westportal des Ulmer Münsters zierte, gewiss nicht vom Meister selbst, sondern von seinen Gesellen hergestellt worden waren. Er wurde wieder ernst und stopfte sich noch einige Münzen in die Tasche, die er von seinem Bancherius auf ihre Echtheit überprüfen lassen wollte. Zwar hatte er es mit dem Probierstein seines Vaters selbst versucht, doch ohne Erfolg. Und irgendwie kam ihm ihr Gewicht seltsam vor.
    Beladen wie ein Esel, begab er sich ins Untergeschoss und hielt nach einem der vielen Läufer Ausschau, die tagtäglich Dutzende von Botengängen für ihn erledigten. Er hatte gerade einen der jungen Burschen erblickt, die mit ihrer schwarz-gelben Tracht aus den übrigen Anwesenden herausstachen, als ihm jemand von hinten auf die Schulter tippte. Utz wirbelte herum und sah in Martins starres und gleichzeitig abweisendes Gesicht. Er seufzte innerlich. Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft würde er ein Gespräch mit der ehemaligen rechten Hand seines Vaters führen müssen. Zwar war das Verhalten des Verwalters makellos und er verrichtete seine Arbeit vorbildlich. Aber dennoch war er Utz selten eine wirkliche Hilfe. Vermutlich wartet er insgeheim darauf, dass ich scheitere, dachte Utz bitter. Doch ehe sich Ärger in ihm breitmachen konnte, verkündete Martin: »Im Hof wartet ein Reiter.« Er deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Er sagte, es sei dringend.« Utz’ Puls machte einen Satz. Schlagartig schienen alle Müdigkeit und aller Verdruss von ihm abzufallen.
    Sie hatten Zehra gefunden! Ohne eine Antwort drückte er Martin die Briefe in die Hand und ließ ihn stehen, um durch die Gewölbehalle nach draußen zu eilen. Dort entdeckte er nach kurzem Suchen einen Reiter in den Farben des Grafen von Helfenstein, der sein Pferd an einem der Pflöcke bei den Ställen angebunden hatte. Ohne auf die neugierigen Blicke der Knechte zu achten, stob er über den Hof und fragte atemlos: »Wo ist sie? Wo ist meine Schwester? Habt Ihr sie gefunden?«
    Der Reisige schüttelte den Kopf. »Nein«, erwiderte er knapp, und etwas in seiner Stimme sorgte dafür, dass dem jungen Mann schlecht wurde. »Aber ich denke, ich weiß, was mit ihr geschehen ist«, setzte der Reiter hinzu. Als Utz ihn lediglich mit kalkweißem Gesicht anstarrte, fuhr er fort: »Ein Müller vom Donauufer hat etwas gesehen, das Euch nicht gefallen wird.« Er strich sich mit der Hand über den Bart. »Am Tag des Urteils hat kurz vor Einbruch der Nacht einer seiner Hofhunde angeschlagen. Als er nach dem Rechten sehen wollte, sind ihm drei Kerle aufgefallen, die eine junge Frau verfolgt haben.« »Nein!«, stieß Utz heiser hervor. »Anscheinend ist das Gesindel aber plötzlich übereinander hergefallen, sodass das Mädchen fliehen konnte.« Als Utz hoffnungsvoll

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