Der Teufelsfürst
gefährlich«, fügte er grinsend hinzu. »Wie heißt du?« Sein Deutsch war akzentfrei und seine Haut hatte dieselbe Färbung wie Zehras eigene.
»Zehra«, brachte sie nach kurzem Zögern gepresst hervor.
Und ehe sie sich davon abhalten konnte, platzte sie heraus: »Wo sind wir? Ich muss so schnell wie möglich zurück nach Ulm!« Die Männer, mit denen er sich vorher unterhalten hatte, verstummten plötzlich. Einige von ihnen verschränkten drohend die Arme vor der Brust. Kaliya holte erschrocken Luft und stieß Zehra den Ellenbogen in die Seite. Einen Moment lang betrachtete der Herzog die junge Frau mit einem Ausdruck, den man für Überraschung hätte halten können. Dann legte er den Kopf in den Nacken und lachte schallend. »Du gefällst mir!«, prustete er und drosch Zehra mit der Hand auf die Schulter, sodass sie in die Knie sackte. Doch schlagartig wurde er wieder ernst. »Du kannst hierbleiben«, sagte er. »Wir sind bereits meilenweit von Ulm entfernt.« Er machte eine kleine Pause. »Wenn du Geld für ein Pferd hast, verkaufe ich dir natürlich eins, damit du nach Hause reiten kannst. Allerdings musst du dann auch Kaliya und die anderen Frauen dafür bezahlen, dass sie dich gepflegt haben.« Vor Schreck setzte Zehras Herz für den Bruchteil einer Sekunde aus. Der Zauber, den der Herzog auf sie ausgeübt hatte, zerbarst wie eine Seifenblase. »Falls nicht«, setzte er ungerührt hinzu, »wirst du dir genau wie all die anderen deinen Lebensunterhalt verdienen.« Er hob die Hand und wies auf die vor dem Zelt versammelten Menschen. »Viele hier sind Gadsche – Fremde – wie du. Wer mit uns ziehen will, muss arbeiten.« Er wandte Zehra den Rücken zu und rief: »Petros! Finde heraus, was sie kann.« Ohne ein weiteres Wort kehrte er zurück zu dem Kreis der Männer, die augenblicklich anfingen, in ihrer eigenen Sprache auf ihn einzureden. Vor den Kopf gestoßen und voller widerstreitender Gefühle verfolgte Zehra jede seiner Bewegungen, bis ein kleines Männlein sie am Ärmel zupfte.
Kapitel 24
Ulm, ein Stadthaus, Ende März 1447
»Ich habe gute Nachrichten.« Die Miene des jungen Prokurators Jakob Löw spiegelte seine Zuversicht wider. Er nahm dankbar den Becher Wein entgegen, den Utz ihm eingoss und über den Tisch zuschob. »Einer meiner Onkel, Georg Löw, hat sich für die Bürgermeisterwahl im Mai aufstellen lassen.«
Seine blauen Augen funkelten mutwillig. »Ich habe ihm Euren Fall geschildert, und er hat mit seiner Meinung über den jetzigen Bürgermeister nicht hinter dem Berg gehalten. Kurz und gut …«, er stellte den Becher ab und wischte sich mit dem Ärmel den Mund, »sollte er die Wahl gewinnen, was als ziemlich sicher gelten dürfte, wird er einer Gnadenbitte zustimmen.« Utz glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Sollte sich endlich ein Hoffnungsschimmer am Horizont zeigen? Er rieb sich die müden Augen, die von der durcharbeiteten Nacht brannten. Bis in die frühen Morgenstunden hatte er Briefe verfasst und versucht, den genauen Fluss aller Waren zu begreifen, bis er schließlich am Schreibtisch eingeschlafen war. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, versetzte er schließlich. Und das entsprach voll und ganz der Wahrheit. Er war erschöpft, ausgelaugt und vollkommen überfordert mit dem, was seit dem Tod seines Vaters auf ihn einstürmte. Obgleich ihn die Neuigkeit, die der Prokurator brachte, eigentlich dazu hätte veranlassen müssen, jubelnd aufzuspringen, empfand er nichts als Leere und eine unbeschreibliche Müdigkeit. Er fuhr sich mit den Handflächen über das Gesicht – als könne er so den Schlaf abstreifen, der ihm noch in den Gliedern steckte. »Das ist wundervoll«, brachte er schließlich hervor und verkniff sich nur mit Mühe ein Gähnen. »Entschuldigt«, setzte er hinzu, als Jakob Löw ihn verdattert betrachtete. »Ich weiß zurzeit einfach nicht, wo mir der Kopf steht.« Er stemmte sich aus dem Sessel und ließ den Kopf kreisen, um die Steifheit in seinem Nacken loszuwerden. »Könnt Ihr herausfinden, auf wie viel sich die Geldstrafe bei einer Aufhebung der Verbannung belaufen würde?« Jakob Löw erhob sich ebenfalls und nickte.
»Das sollte das geringste Problem sein.« Er fasste Utz kritisch ins Auge. »Aber wisst Ihr denn inzwischen, wo Eure Schwester sich aufhält?«
Mit dieser Frage legte er den Finger in die Wunde, die Utz mehr und mehr Schmerzen bereitete. Trotz der Hilfe des Grafen von Helfenstein hatte er immer noch nicht die geringste Ahnung, was
Weitere Kostenlose Bücher