Der Teufelsfürst
der an diesem Tag die Farbe von Taubeneiern hatte. »Wenn du ihm anbietest, die Geldstrafe für seinen Meineid zu übernehmen, wird er es sich ganz gewiss überlegen. Wenn es so ist, wie ich vermute, hat er nämlich eine Heidenangst vor dem Mörder deines Vaters. Und solange der auf freiem Fuß ist …« Utz überlegte eine Weile, ehe er mit einem Seufzen entgegnete: »Es klingt alles so einfach. Aber das ist es vermutlich nicht.« »Nichts im Leben ist einfach.« Hans Multscher lächelte traurig. »Aber wenn du aufgibst, dann war all das, was dein Vater und dein Großvater getan haben, um Euer Geschäft aufzubauen, vergebens.« Utz schluckte trocken und verfolgte einen Moment lang, wie ein warmer Wind ein Häufchen Schmutz in Wirbeln vor sich hertrieb. Dann atmete er einige Male tief ein und aus und zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich ist es besser, als sich selbst zu bemitleiden«, murmelte er. »Auch wenn ich nicht weiß, wie ich es anstellen soll, diesem Rindvieh Martin nicht den Hals umzudrehen!« Hans Multscher lachte. »So gefällst du mir schon besser!«, stellte er fest. »Und, wer weiß, vielleicht findest du so eher etwas heraus.«
Damit war die Sache entschieden. Bereits am Nachmittag biss Utz in den sauren Apfel und bat in seinem eigenen Haus um eine Unterredung mit seinem ehemaligen Verwalter. »Ach, das freut mich, dass du es dir doch noch anders überlegt hast«, flötete dieser mit einem hämischen Ausdruck auf dem Gesicht.
Es kostete Utz alle Kraft, ihm bei der unverschämten Anrede nicht ins Gesicht zu springen. Doch da die Rollen durch den Ratsbeschluss neu verteilt waren, blieb ihm nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. »Selbstverständlich kannst du als Angestellter nicht mehr im Obergeschoss schlafen«, bemerkte Martin scheinbar bedauernd.
»Das wäre leider vollkommen unangemessen.« Er lächelte ölig. »Aber ich bin sicher, über der Küche ist noch Platz.« Utz biss die Zähne aufeinander und schluckte eine Erwiderung. Sobald der Streit vor dem Stadtgericht zu seinen Gunsten entschieden war, würde er Martin eigenhändig mit einem Tritt in den Hintern auf die Straße befördern! »Warum bringst du nicht die Sachen in deine neue Unterkunft und hilfst dann den Lehrlingen beim Stapeln der neuen Barchentballen?«, fragte Martin. Da er versichert hatte, über jede Transaktion Rechenschaft abzulegen, hatte der Rat ihm erlaubt, den Handel weiterzuführen, ließ er Utz wissen. »Es wäre ja auch wirklich ein Jammer, wenn all die Waren einfach nur so hier herumliegen würden«. Utz fragte sich, ob es nicht ein Fehler gewesen war, dem Vorschlag seines Freundes Hans Multscher zuzustimmen. Aber für Bedenken war es jetzt zu spät! Deshalb schulterte er sein Bündel, verkniff sich eine bissige Antwort und trottete in die Küche. Ohne auf die erstaunten Blicke der Köchin und der Mägde zu achten, erklomm er die schmale Treppe zu den Lehrlingsquartieren und suchte sich ein freies Lager. Dann begab er sich ins Ballenlager und trat den demütigenden Dienst im eigenen Hause an.
Kapitel 38
Ulm, ein Stadthaus, Juni 1447
»Einen Moment!« Helwigs Stimme durchschnitt die Luft wie eine Klinge. »Du bleibst noch!« Ihre Hand schoss vor und legte sich wie eine Klaue um den Arm der blonden Magd, die Sophia, ihrem Vater und ihrer Großmutter das Abendessen aufgetragen hatte. »Ihr anderen verschwindet!«, fauchte sie.
Sobald die Tür der Stube ins Schloss fiel, zwang sie das Mädchen zu sich hinab und nahm das blasse Gesicht näher in Augenschein. Dann, als habe sie in den Zügen der jungen Frau etwas entdeckt, ließ sie sie fahren und kam schwerfällig auf die Beine. Durch die offenen Fenster drang das schrille Kreischen von Schwalben in den Raum, der bis auf das heftige Atmen der Magd totenstill war. Wie erstarrt beobachtete Sophia die Szene, die nicht nur sie zu überraschen schien. Deutlich zeichneten sich die Altersflecken auf Helwigs Händen ab, als sie diese in die Hüfte stemmte und die faltigen Lippen schürzte.
»Ich habe nur eine einzige Frage«, zischte sie und blickte der jungen Frau auf den Bauch. »Von wem ist dein Balg?« Das 219
Mädchen zuckte zurück, als habe Helwig ihr ins Gesicht geschlagen. Sophia presste erschrocken die Faust auf den Mund.
Denn der ängstliche Blick, den die Magd ihrem Vater zuwarf, verriet mehr als tausend Worte. »Aha!«, stellte Helwig kalt fest, da auch sie begriffen hatte, was die junge Frau nicht hatte sagen wollen. An Johann
Weitere Kostenlose Bücher