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Der Teufelsfürst

Der Teufelsfürst

Titel: Der Teufelsfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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zu sein. »Wenn das alles Unsinn ist«, entgegnete Helwig ungerührt an Sophia gewandt, » dann stört es dich sicher nicht, wenn ich mich in deiner Kammer umsehe.«
    Mit dieser Feststellung steuerte sie auf die Tür zu und machte sich auf den Weg zu dem Schlafgemach ihrer Enkelin.

Kapitel 39
In den Mokrabergen zwischen Albanien und Makedonien, Juli 1447
    Das Geschrei der Dorfbewohner erfüllte die rauchgeschwängerte Luft. In der Ferne flimmerte die Wasseroberfläche des Ohridsees. Einen kurzen Augenblick lang vermeinte Vlad zu erkennen, dass das Blut der Erschlagenen dieses Gewässer bereits rot gefärbt hatte. Überall am Wegesrand hatten die osmanischen Akıncı – die erbarmungslosen berittenen Plünderer – die Schädel der Feinde zu mannshohen Haufen aufgeschichtet. Obgleich Vlad schon viel Blut gesehen hatte, erfüllte ihn das Abschlachten der wehrlosen Bauern mit Grauen. Der Aufbruch aus Edirne schien bereits Jahre zurückzuliegen, denn die vergangenen vier Wochen waren voller Entbehrungen gewesen und hatten Vlad an die Grenzen seiner Kraft gebracht.
    In Gewaltritten waren sie von Edirne aus die Via Egnatia entlang nach Makedonien gezogen, um sich dort durch einen von Albanern bewachten Pass zu schlagen. Seitdem durchbrachen die osmanischen Grenzreiter immer wieder die feindlichen Linien, um Dörfer und Felder niederzubrennen, Ziegen, Schafe und die wenigen Ochsen der Bauern zu stehlen und Gefangene zu verschleppen oder zu töten. Da es sich bei den Albanern um Christen handelte, hatte Vlad zu Beginn des Mordens jeden Abend heimlich um Vergebung gefleht. Doch mit jedem Tag, der verstrich, lastete die Sünde schwerer auf seinem Gewissen. Als einer seiner Pfeile den ersten Gegner durchbohrt hatte, war ihm das Entsetzen bis tief ins Mark gefahren. Allerdings hatte ihn das Schicksal bisher davor bewahrt, seinen Opfern so nahe zu kommen, dass er die Panik in ihren furchtgeweiteten Augen sehen konnte. Der heutige Angriff auf ein Bergdorf war der erste, der ihn bis ins Herz des Kampfes getragen hatte.
    Wie die übrigen Akıncı schleuderte auch er brennende Fackeln auf strohgedeckte Dächer und half, die Fliehenden zusammenzutreiben. Wer nicht in den lichterloh in Flammen stehenden Hütten verbrannte, würde sich bald wünschen, dieses Ende gefunden zu haben, dachte Vlad mit Schaudern.
    Denn am Morgen hatte der Anführer der reitenden Plünderer verkündet, dass derjenige, dem es gelang, Georg Kastriotas gegenwärtigen Aufenthaltsort in Erfahrung zu bringen, reich belohnt werden würde. Wenn es darum ging, die Befehle ihres Obersten zu befolgen, waren die Akıncı zu allem bereit. Das wusste Vlad inzwischen.
    Als etwas mehr als dreißig Männer in der Mitte des Dorfplatzes knieten, brüllte der Befehlshaber: »Tötet alle Frauen und Kinder!« Und augenblicklich brachen die Akıncı in das Triumphgeheul aus, das Vlad stets an das Heulen von tollwütigen Hunden erinnerte. Innerhalb kurzer Zeit wurden rings um ihn herum selbst Mütter mit Säuglingen an der Brust niedergemetzelt. Nur Vereinzelten gelang die Flucht in den dichten Wald. »Ihr da, los, hinterher!«, bellte einer der Unterführer Vlad und vier der Reiter in seiner Nähe an. »Es darf niemand entkommen!« Ohne nachzudenken, tat Vlad es den Akıncı um sich herum gleich und preschte auf den Waldrand zu, wo soeben ein grauer Rock im Dickicht verschwand. Angetrieben von einer Mischung aus Furcht vor dem, was er würde tun müssen, und einem befremdlichen Jagdfieber duckte er sich unter den tief hängenden Ästen hindurch und brach durch das Unterholz. Bereits nach wenigen Pferdelängen hatten sie die Fliehenden eingeholt, welche die Jäger kurzerhand niederritten. Sobald ihre Beute am Boden lag, sprangen sie aus dem Sattel, zogen ihre Dolche und schnitten ihnen die Kehlen durch. Lediglich drei junge Mädchen mit ungewöhnlich hellem Haar blieben am Leben – allerdings nur zu dem Zweck, sich an ihnen zu vergehen. Während Vlad wie gelähmt auf die Gefallene hinabstarrte, die er mit dem Knie am Boden festhielt, rief einer der Osmanen höhnisch: »Worauf wartest du noch? Stich die Kuh ab. Diese hier sind jung und saftig!« Der unmissverständlichen Aufforderung folgte ein hässliches Lachen. Vlad zuckte zusammen, da sich die alte Frau unter ihm bewegte. »Verschont mich«, flehte sie schwach. »Bitte.« Als er in ihre trüben Augen blickte, wurde Vlad mit grauenhafter Klarheit bewusst, dass er sie töten musste, wenn er nicht all das gefährden wollte,

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