Der Teufelsfürst
verhältnismäßig weich war, sandte der Aufprall einen stechenden Schmerz ihren Rücken hinauf und raubte ihr den Atem. Einige Augenblicke rang sie nach Luft, dann rappelte sie sich mühsam auf und kroch zu der mannshohen Ummauerung. Nachdem sie sich ein letztes Mal in dem Hof umgesehen hatte, schob sie die Beine über die Steine und ließ sich vorsichtig zu Boden gleiten. Geschafft! Auf leisen Sohlen huschte sie auf das windschiefe Tor zu, das in eine enge Gasse hinter dem Haus führte. Dort boten Kleinkrämer in Kellerbuden ihre Waren an, aber der Andrang schien zu wünschen übrig zu lassen, da gerade mal ein Dutzend Kaufwilliger zu sehen war. Tapfer die Angst schluckend, die dafür sorgte, dass ihr speiübel zumute war, straffte Zehra die Schultern und schloss sich einer Gruppe von fünf Bürgerinnen an. Sie würde auch allein zurechtkommen! Immerhin hatte sie einen Bogen Papier und ... Nur mit Mühe unterdrückte sie ein Stöhnen.
Sie hatte weder Tinte noch Federkiel! Wie sollte sie da Utz um Hilfe bitten? Bevor ihr ohnehin nur oberflächlicher Mut sie völlig verlassen konnte, erreichte sie eine breitere Straße, auf der es weitaus geschäftiger zuging. Während sie ziellos umherstreifte, nahm eine Idee Gestalt an in ihrem Kopf.
Warum sollte sie nicht versuchen, den Herrn Imhoff dazu zu bringen, ihr etwas Geld auszulegen. Alle Bedenken, die sie in Augsburg von einem solchen Schritt abgehalten hatten, waren wie weggewischt in Anbetracht der Drohung des Zigeuners. Schließlich war sie inzwischen weit genug von Ulm entfernt. Die Gefahr, dass die Händler von ihrer Verurteilung wussten, war hier weitaus geringer als in Augsburg, redete sie sich ein. Zwar waren die Aussichten auf Hilfe nicht gerade rosig, aber immer noch besser, als zu den Zigeunern zurückzukehren. Sie scherte aus dem Strom der Nürnberger aus und suchte den Schatten eines Gebäudes, um ihre Gedanken zu ordnen. Doch bevor sie sich die Worte zurechtlegen konnte, mit denen sie um Einlass in das Haus des Handelsherrn bitten konnte, packte sie jemand von hinten am Kragen und riss sie in die Höhe. »Das hast du dir wohl so gedacht!« Die Stimme sorgte dafür, dass Panik nach ihrem Herzen griff. Eine zweite Hand gesellte sich zu der ersten, sodass sie Michel nun auf gleicher Höhe in die Augen sah. Diese waren zu Schlitzen verengt, das sonst so gut aussehende Gesicht wutverzerrt. »Na warte!« Ich habe zu lange gebraucht, war die einzige Erkenntnis, zu der ihr vor Furcht gelähmter Verstand in der Lage war. Ehe sie sich versah, hatte der Sinti sie wieder auf dem Boden abgestellt und am Arm ergriffen, um sie grob zurück zu dem Haus zu schleifen, aus dem sie soeben geflohen war.
Dort angekommen trieb er sie mit Schlägen ins Obergeschoss hinauf und stieß sie in seine Kammer. Als er eine kurze Peitsche von einem Haken nahm und diese durch die Luft sausen ließ, wich Zehra schaudernd vor ihm zurück. »Bitte!«, flehte sie und hob die Hände. »Ich wollte Euch wirklich nicht bestehlen. Ihr müsst mir glauben, ich habe die Münze nur gefunden!«
Kapitel 36
Weißenhorn, ein Wirtshaus, Juni 1447
»Wann hört Ihr endlich auf damit, wie ein Tollkopf gegen diese verdammte Stadt anzurennen?«, murrte Ulrich von Helfenstein und raufte sich die Haare. »Weil diese verdammte Stadt nicht einfach ihre Zölle erhöhen und damit meine Einnahmen schmälern kann!«, schoss der Graf von Württemberg zurück. »Aber Ihr wisst doch, wie aussichtslos eine Fehde gegen Esslingen ist«, warf ein hageres Mitglied der Gesellschaft mit Sankt Wilhelm ein, die sich an diesem Sonntag nach Pfingsten in Weißenhorn zu ihrem jährlichen Kapiteltreffen versammelt hatte. Der große Saal im ersten Stock des Wirtshauses war vollgestopft mit Männern in blauen Waffenröcken und goldenen Beingewändern. Jedes einzelne der Mitglieder trug den goldenen Stern, Gürtel und Spieß, den die Kleiderordnung vorsah. Nachdem am Morgen bereits der neue Rat gewählt und die jährlichen Beiträge eingezogen worden waren, stand der Nachmittag ganz im Zeichen der Hilfepflicht. Wie von Ulrich befürchtet war es wieder einmal der jüngere der beiden Grafen von Württemberg, der diese Waffenhilfe schamlos einforderte. Da er erst vor Kurzem dessen Bruder, Ludwig von Württemberg, den Dienst aufgekündigt hatte, stand Ulrich der Sinn nach allem, nur nicht danach, schon wieder nach der Pfeife eines Württembergers zu tanzen. »Ach, was wisst Ihr schon davon«, trotzte der Württemberger und schob die
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