Der teuflische Lord (German Edition)
richtig lag und ihr somit keine Gefahr drohte. Aber Sicherheit dafür gab es leider nicht, auch wenn die Anrede, die der Recke für sie benutzt hatte, eine gewisse Beruhigung war: Schwester.
Sie hatte schon fast vergessen, dass ihre liebe Gefährtin Anouk die Idee gehabt hatte, sie in Nonnenkleider zu stecken, um ihr einen gewissen Schutz auf ihrer Flucht zu gewähren. Die Anrede des Mannes hatte sie wieder daran erinnert, was sie zu sein vorgab. Ihre Täuschung verlieh ihr ein kleines bisschen mehr Sicherheit, auch wenn sie nicht wagte, näher an das Feuer und damit auch an den Fremden heranzutreten.
Dennoch näherte sie sich ganz automatisch einen kleinen Schritt dem Ort, der Wärme versprach, ohne dass sie wirklich bemerkt zu haben. Schon als sie den ersten warmen Lufthauch zu spüren glaubte, hatte sie sich unbemerkt auf die Wärmequelle zubewegt. Die kleinste Veränderung in der kalten Luft zog sie unmerklich näher an die Quelle, die diese Veränderung auslöste.
Sie hatte so entsetzlich gefroren dort draußen alleine im verschneiten Wald. Und sie hatte sich davor gefürchtet, die Nacht in der Finsternis verbringen zu müssen. Doch beide Ängste schienen fürs erste abgewendet zu sein, auch wenn der Maid nicht klar war, ob sie durch diese Situation besser gestellt sein würde als zuvor. Vielleicht müsste sie erst ein paar Dinge in Erfahrung bringen, um den zu erwartenden Verlauf der Situation einschätzen zu können.
„Ist das Eure Jagdhütte, Sir?“, war die Frage, die für Melisande Licht ins Dunkel bringen sollte.
„Das ist Thorns Land, also gehört ihm auch alles, was darauf steht und geht.“
Wie recht der Mann mit dieser Aussage hatte war ihm gar nicht bewusst, aber Melisande zuckte trotzdem zusammen. Eigentlich hätte sie es sich auch selbst denken können. Des Teufels Land, des Teufels Jagdhütte! War es Ironie oder ausgleichende Gerechtigkeit, dass sie gerade hier Zuflucht gefunden hatte?
„Seid Ihr nicht beunruhigt, dass er Rechenschaft dafür von Euch verlangen könnte, dass Ihr Euch hier aufhaltet?“
Nikolas schnaubte abfällig angesichts dieser ängstlichen Frage. Er hatte es so satt, sich und sein Handeln rechtfertigen zu müssen. Es interessierte doch sowieso keinen Menschen wirklich, warum … Was soll‘s! Es hatte keinen Sinn, sich wegen einer harmlosen Frage aufzuregen, wenn man den Spieß auch umdrehen konnte.
„Was ist mit Euch, Schwester? Ihr haltet Euch wohl schon ein klein wenig länger in der Hütte auf als ich. Denkt Ihr, Nonne zu sein brächte Euch einen Vorteil, wenn es darum ginge, Rechenschaft vor dem Teufel von Thorn abzulegen?“
Wie sehr er doch diesen Namen hasste! Den Klang und die Bedeutung, die er aussandte und die nicht den Tatsachen entsprach. Als er diese Worte selbst aussprach, lösten sie Ekel in ihm aus, und deshalb verzerrte sich auch sein Gesicht verächtlich.
Der Recke hatte schon recht mit seinem Hinweis. Ein Ordensgewand war kein Freibrief dafür, vom Teufel verschont zu bleiben, falls der sie hier entdecken sollte. Obwohl diese Aussicht noch die geringste ihrer Sorgen sein sollte. Dennoch klang Melisandes Stimme brüchig, als sie auf die Frage des Mannes mit nur wenigen Worten antwortete.
„Ich fürchte nicht.“
Der Fremde wirkte so, als würde er sich auf eine Auseinandersetzung mit dem verabscheuungswürdigen Lord einstellen, und das machte ihr nicht gerade Mut. Selbst die bitter klingenden Worte, die der Recke noch anfügte, konnten sie von ihrer Angst jetzt nicht mehr wirklich befreien.
„Mit der Kirche und seinen Vertretern will der Teufel nichts zu tun haben. Dann wird er Euch wohl auch in Frieden lassen.“
Eigentlich hätte sie diese Information beruhigen sollen, denn wenn der Teufel die Kirche mied, dann standen ihre Chancen vielleicht doch gut, sein Gebiet unbehelligt zu durchqueren. Aber war jemandem zu trauen, der als Teufel bekannt war? Wer sagte ihr denn, dass er nicht plötzlich auf die Idee kommen könnte, das zu verfolgen, was er verabscheute? Der unbekannte Jäger schien über mehr Informationen zu verfügen, mit denen sie die Lage vielleicht besser einschätzen könnte. Ihn über den Mann auszufragen, dem sie entkommen wollte, erschien ihr daher nur vernünftig.
„Sagt, mein Herr, wird er Euch wirklich dafür bestrafen, dass Ihr hier in seiner Hütte Schutz vor der Kälte gesucht habt?“
Nikolas zuckte mit den Schultern. Machte sich die Ordensfrau über ihn Gedanken oder nur darüber, was ihr selbst widerfahren
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