Der teuflische Lord (German Edition)
könnte?
„Wer kann schon sagen, wie der Teufel auf eine Situation reagiert. Was für Euch eine glückliche Fügung des Schicksals ist, hier Unterschlupf gefunden zu haben, kann jemand wie Thorn als die unrechtmäßige Inbesitznahme seines Eigentums ansehen.“
Wenn man die Sache von dieser Seite aus betrachtete, ergab sie durchaus einen Sinn. Sich nicht lange in der Hütte aufzuhalten war wohl deshalb das Beste. Aber solange sie nicht einmal genau wusste, wo sie sich befand, war es schwierig, diesen Plan zu verfolgen. Sie sollte deshalb besser nach dem Weg fragen, der sie ihrem Ziel näher bringen würde.
„Mylord …“, setzte sie zu einer Frage an. Doch der fremde Kämpfer störte sich an dieser Anrede.
„Ist es in Euren Augen nicht vermessen, mir einen Titel zuzugestehen, der eigentlich einer höhergestellten Persönlichkeit gebührt, Schwester?“
Mit diesem Hinweis erinnerte er sie einerseits an ihren Glauben an Gott und andererseits an ihre Stellung als Nonne, doch das musste sich Melisande erst ins Gedächtnis zurückrufen. Aber das war auch gut so, damit sie ihre falsche Identität nicht vergaß.
„Nennt mich bei meinem Namen, das wird vollkommen ausreichen. Schließlich seid Ihr ein Mitglied der Heiligen Kirche und ich nur ein armer Sünder.“
Sprach da Bitterkeit aus seinen Worten? Der Eindruck drängte sich dem Mädchen auf. Oder vielleicht empfand sie es auch nur so, weil sie selbst sich der Sünde einer Lüge schuldig gemacht hatte und immer noch machte.
„Ich bin genauso wenig ohne Schuld wie jeder andere Mensch auf dieser Welt, Mylord!“ Damit wollte sie sich wenigstens auf diesem Wege mit ihm auf die gleiche Stufe stellen. Denn zuzulassen, dass er sie höher stellte als sie es verdiente, würde ihre Lüge noch verdammenswerter machen.
„Nikolas, Schwester, nicht Mylord.“
Zum Glück hatte er ihr nicht widersprochen, sondern nur seinem vorherigen Wunsch mit einer genaueren Information versehen. So konnte Melisande auch gleich das neue Wissen dazu benutzen, das Thema zu wechseln.
„Was für ein ausgesprochen nobel klingender Name“, lenkte sie mit diesen Worten von der Frage nach Schuld oder Unschuld ab.
So freundlich und ungezwungen hatte sich seit langem kein Mensch mehr mit ihm unterhalten, der ihm zum ersten Mal begegnete. Deshalb fiel es Nikolas auch schwer, anders als ironisch darauf zu reagieren.
„Namen können Vieles verschleiern, Schwester. Das Gute in einem Menschen genauso wie das Schlechte. Ihr solltet nicht den Fehler begehen, Euch durch ein simples Wort blenden zu lassen.“
Das klang sehr hart und zynisch. Aber im Grunde sagte ihr der Fremde nichts anderes als das, was auch Anouk ihr hatte beibringen wollen. Menschen waren nicht immer das, was sie vorgaben zu sein, und ein Lächeln konnte nicht nur Freundlichkeit bedeuten.
Der fremde Jäger hatte jedenfalls noch nicht gelächelt, seit er hereingekommen war. Dafür hatte er sich um das Feuer gekümmert, mit dem sie nicht zurechtgekommen war. Trotzdem wich sie angesichts seiner eigenen Warnung und ihrer Erinnerungen an Anouks Warnungen wieder ein paar Schritte vor ihm und dem Feuer zurück, dem sie sich während ihres Wortwechsels unbewusst genähert hatte.
Nein, ein Lächeln fand sich nicht in dem ebenmäßigen Gesicht mit den harten, hellen Augen. Aber was sich wirklich darin fand konnte Melisande auch nicht benennen. Schmerz? Trauer? Resignation? Eine Empfindung dieser Art ging irgendwie von dem Jäger aus. Das konnte sie erkennen, weil sie erst vor wenigen Monaten das Gleiche gefühlt hatte.
Anouk hatte ihr dabei geholfen, mit dem Verlust ihres Vaters leben zu können. Sollte der Fremde ein ähnliches Schicksal erlitten haben, dann verstand sie seinen Schmerz und seine Verbitterung. Ihre Anteilnahme zu zeigen, obwohl sie nicht einmal wusste, ob sie mit ihrer Annahme richtig lag, war ein wenig voreilig, entsprach aber ihrem mitfühlenden Wesen.
„Der Tod ist immer eine Tragödie, ganz egal um wie viel schöner das Leben vorher mit diesem Menschen war.“ Bei diesen Worten legte Melisande tröstend eine Hand auf den Arm des Fremden.
Im Bruchteil einer Sekunde fand sich das Mädchen wie in einem Schraubstock an eine harte Brust gedrückt wieder. Und der Mann, der ihren Rücken so unerbittlich an seine Brust drückte, zischte ihr gefährlich nahe eine Warnung ins Ohr.
„Eure scheinheilige Anteilnahme könnt Ihr vor Euren Mitschwestern zur Schau tragen, Schwester. Ich brauche sie nicht. Vor allem brauche
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