Der Thron der roten Königin
beliebten Engländer Richard of York folgen sollen, wohin sein Ehrgeiz ihn auch führen mag.
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Sommer 1455
E ndlich ist er da – mein Hochzeitstag. Ich stehe in meinem besten, hochgegürteten Kleid an der Kirchentür. In den lächerlich weiten Ärmeln verlieren sich meine dünnen Arme und kleinen Hände. Der hohe konische Kopfschmuck mit dem Unterbau aus Draht ist ermüdend schwer. Der Flinder, der vom Scheitelpunkt des Hennins herabfällt, verhüllt meine Blässe ebenso wie meinen Unmut. Meine Mutter steht neben mir, um mich zu meinem Vormund Edmund Tudor zu geleiten, der zu dem Schluss gekommen ist – wie zweifellos jeder weise Vormund –, dass mir am besten durch eine Eheschließung mit ihm gedient ist: Er selbst ist die beste Wahl als Sachwalter meiner Interessen.
«Ich habe Angst», flüstere ich meiner Mutter zu, und sie sieht auf mich herunter. Ich bin einen Kopf kleiner als sie, ich bin zwölf Jahre alt, aber noch ein kleines Mädchen, meine Brust ist flach wie ein Brett, mein Körper unbehaart unter den üppigen Stoffschichten. Sie mussten mein Korsett mit Leinen ausstopfen, um einen Busen anzudeuten. Ich bin ein Kind, das man ausschickt, die Pflichten einer Frau zu erfüllen.
«Du brauchst keine Angst zu haben», meint sie kurz angebunden.
Ich versuche es noch einmal. «Ich dachte, ich würde Jungfrau bleiben wie Johanna von Orléans», flüstere ich und zupfe an ihrem Ärmel, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. «Das weißt du doch. Ich wollte das schon immer. Ich wollte ins Kloster. Ich will noch immer ins Kloster gehen. Es kann gut sein, dass ich berufen bin. Es könnte Gottes Wille sein. Wir sollten Rat einholen. Wir könnten den Priester fragen. Wir könnten ihn jetzt fragen, bevor es zu spät ist. Was ist, wenn Gott mich für sich selbst will? Dann wäre es Blasphemie, wenn ich heirate.»
Sie wendet sich mir zu und nimmt meine kalten Hände in die ihren. «Margaret», sagt sie ernst, «wisse, dass du dein Leben nie frei wählen durftest. Du bist ein Mädchen, und Mädchen haben keine Wahl. Niemals hättest du deinen eigenen Gemahl wählen dürfen, denn du bist von königlichem Geblüt. Für dich wäre immer ein Gemahl ausgesucht worden. Auch das weißt du. Und schließlich bist du aus dem Geschlecht der Lancaster. Du kannst deine Loyalität nicht wählen. Du hast deinem Haus zu dienen, deiner Familie und deinem Gemahl. Ich habe dir gestattet, zu träumen und zu lesen, aber jetzt ist die Zeit gekommen, da du deine albernen Geschichten und Träume vergessen und deine Pflicht tun musst. Glaub nicht, du könntest dich wie dein Vater verhalten und der Pflicht entrinnen. Er hat den Weg eines Feiglings gewählt, und der steht dir nicht offen.»
Diese plötzliche Anspielung auf meinen Vater erschüttert mich. Von ihrem zweiten Gemahl, meinem Vater, spricht sie äußerst selten, und dann in vagen Worten. Ich will gerade fragen: Wie ist er weggelaufen? Was war sein feiger Ausweg? Doch schon schwingt das Kirchenportal auf. Ich muss hineingehen und die Hand meines Gemahls nehmen, um mit ihm vor den Priester zu treten und zu schwören, dass ich seine Frau sein werde. Meine Hand verschwindet in seiner großen Hand, und ich höre, wie er mit tiefer Stimme die Fragen beantwortet, auf die ich nur flüsternd entgegnen kann. Er steckt mir einen schweren Ring aus walisischem Gold an den Finger, und ich balle die Hand zur Faust, damit er nicht herunterfällt. Der Ring ist mir viel zu groß. Ich sehe zu ihm empor, verwundert, dass er denkt, aus so einer Ehe könne etwas werden, wo doch sein Ring zu groß ist für meine Hand und ich erst zwölf bin und er doppelt so alt. Er ist ein kampfgestählter, ehrgeiziger Mann, ein harter Mann aus einer machthungrigen Familie. Ich bin nur ein Kind, das sich nach einem spirituellen Leben sehnt, ein Mädchen, das hofft, die Menschen werden erkennen, dass es etwas Besonderes ist. Doch das scheint – wie so vieles – niemanden zu kümmern.
***
Ich soll mein Eheleben im Palast von Lamphey in Pembrokeshire beginnen, mitten im Herzen des schrecklichen Wales. In den ersten Monaten habe ich keine Zeit, meine Mutter und meine Familie zu vermissen, denn alles ist mir so fremd, dass ich mich völlig umstellen muss. Den größten Teil meiner Zeit verbringe ich mit den Dienerinnen und meinen weiblichen Begleiterinnen auf der Burg. Mein Gemahl und sein Bruder stürmen herein und hinaus wie Regen. Meine adlige Gouvernante und meine Zofe haben mich begleitet, aber
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