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Der Thron der roten Königin

Der Thron der roten Königin

Titel: Der Thron der roten Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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oder ein wildes Tier geschlachtet. Ich sehne mich nach Fastentagen, wenn es nur Fisch gibt, und ich erlege mir zusätzliche Tage auf, an denen ich Verzicht übe, um diesem klebrigen Einheitsbrei zu entgehen. Jeder spießt die Fleischbrocken mit seinem Dolch von einer gemeinsamen Platte auf und tunkt seinen Kanten Brot in die Soße. Sie wischen sich die Hände an der Hose ab und den Mund am Ärmelaufschlag. Selbst an der herrschaftlichen Tafel wird das Fleisch auf Brottellern serviert, die am Ende der Mahlzeit verzehrt werden. Sie haben keine richtigen Teller. Servietten sind ihnen offensichtlich zu französisch. Man empfindet es hier als patriotische Pflicht, sich den Mund am Ärmel abzuwischen, und jeder zieht bei Tisch seinen eigenen Löffel aus dem Stiefel, als sei er ein Familienerbstück.
    Ich nehme mir ein kleines Stück Fleisch und knabbere daran. Der Geruch des Fetts dreht mir den Magen um. Jetzt sprechen sie vor mir, als ob ich taub wäre: Ob ich wohl fruchtbar bin und wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass mein Sohn, falls die Königin aus England vertrieben wird oder ihr Kind stirbt, seinen Thronanspruch durchsetzt.
    «Glaubst du, die Königin würde das zulassen? Glaubst du, Margarete von Anjou würde nicht für England kämpfen? Dazu kennt sie ihre Pflicht nur allzu gut», sagt Edmund lachend. «Einige finden sogar, sie sei zu zielstrebig, um sich von einem schlafenden Gemahl aufhalten zu lassen. Sie sagen, sie habe das Kind nicht vom König empfangen. Sie habe sich von einem Stalljungen besteigen lassen, damit die königliche Wiege nicht leer bleibt, während ihr Gemahl träumt.»
    Ich lege meine Hände an die heißen Wangen. Dies hier ist unerträglich, aber mein Unbehagen fällt niemandem auf.
    «Kein Wort mehr», sagt Jasper schlicht. «Sie ist eine große Lady, und ich habe Angst um sie und ihr Kind. Sorg du für einen eigenen Erben und wiederhol mir keine Gerüchte. Das Haus York mit seiner Schar von vier Jungen wird mit jedem Tag selbstbewusster. Wir müssen ihnen zeigen, dass ein wahrer Erbe des Hauses Lancaster bereit ist, wir müssen ihrem Ehrgeiz einen Dämpfer versetzen. Die Staffords und Hollands haben schon Erben. Wo bleibt der Tudor-Beaufort-Sohn?»
    Edmund lacht kurz auf und schenkt sich Wein nach. «Ich arbeite jede Nacht daran», sagt er. «Vertrau mir. Ich drücke mich nicht vor meiner Pflicht. Auch wenn sie fast noch ein Kind ist und den Akt nicht mag, tue ich, was getan werden muss.»
    Zum ersten Mal wirft Jasper mir jetzt einen Blick zu, als fragte er sich, was ich mit dieser trostlosen Beschreibung meines Ehelebens anfange. Ich sehe ihn ausdruckslos, mit zusammengebissenen Zähnen an. Ich will sein Mitleid nicht. Dies ist mein Martyrium. Die Ehe mit seinem Bruder, in diesem bäuerlichen Palast im schrecklichen Wales, ist mein Martyrium, das ich Gott darbringe, und ich weiß, dass er mich belohnen wird.
    ***
    Edmund hat seinem Bruder nichts als die Wahrheit gesagt. Nacht für Nacht kommt er in mein Zimmer, etwas wackelig von all dem Wein, mit dem er sein Abendessen hinuntergespült hat. Jede Nacht steigt er zu mir ins Bett und macht sich an meinem Nachthemd zu schaffen, als sei es nicht aus feinster Valencienne-Spitze, von meinen Kleinmädchenstichen gesäumt. Er zieht es hoch, um sich an mich zu drücken. Jede Nacht beiße ich die Zähne zusammen und äußere kein Wort des Protestes. Ich wimmere auch nicht vor Schmerz, wenn er mich ohne die geringste Freundlichkeit oder Liebenswürdigkeit nimmt. Und jede Nacht steht er wenige Augenblicke später auf, wirft sich das Gewand über und geht ohne Dank und Abschied. Ich sage nichts, kein Wort, von Anfang bis Ende, und er auch nicht. Wenn es rechtmäßig wäre, dass eine Frau ihren Mann hasste, so würde ich ihn als Vergewaltiger hassen. Doch wenn ich ihn hasste, würde das Kind missgebildet werden, und deswegen achte ich darauf, ihn nicht zu hassen, nicht einmal heimlich. Stattdessen gleite ich in der Minute, in der er gegangen ist, aus dem Bett, knie am Fußende nieder – in der Nase noch seinen widerlichen Schweißgeruch, zwischen den Beinen den brennenden Schmerz – und bete zur Jungfrau Maria, die durch den freundlichen Besuch des körperlosen Heiligen Geistes das Glück hatte, dass ihr dies erspart geblieben ist. Ich bete sie an, damit sie Edmund Tudor vergeben möge, dass er mich so peinigt, mich, ihr bevorzugtes Kind. Ich, die ich ohne Sünde bin und ganz sicher ohne Lust. Monate nach meiner Eheschließung bin ich ohne

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