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Der Thron der roten Königin

Der Thron der roten Königin

Titel: Der Thron der roten Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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mich, im Stechschritt den langen Korridor hinunter mitzuhalten. «Wir sind doch von königlichem Geblüt. Warum müssen wir Rivalen sein? Wir sind alle Plantagenets, wir stammen alle von Edward  III . ab. Wir sind alle eng miteinander verwandt. Richard of York ist ein entfernter Cousin des Königs – genau wie ich.»
    Sie dreht sich zu mir um, und als der Saum ihres Gewands die auf dem Boden ausgestreuten Kräuter aufwirbelt, steigt der Geruch von Lavendel empor. «Wir mögen alle einer Familie entstammen, doch das ist auch der Grund, warum wir keine Freunde sind, wir rivalisieren um den Thron. Welche Fehden sind schlimmer als Familienstreitigkeiten? Wir mögen alle nahe und entfernte Cousins sein, aber sie gehören dem Hause York an und wir dem Hause Lancaster. Vergiss das nicht. Wir Lancasters stammen in direkter Linie von Edward  III . ab, durch seinen Sohn, John of Gaunt. In direkter Linie! Die Yorks dagegen können ihre Linie nur durch John of Gaunts jüngeren Bruder Edmund zurückverfolgen. Sie sind die nachgeordnete Linie: Sie stammen nicht von Edward ab, sondern von einem jüngeren Bruder. Sie können nur dann den Thron von England besteigen, wenn es keinen Sohn aus dem Hause Lancaster mehr gibt. Also – denk doch nach, Margaret! –, was glaubst du, was sie sich erhoffen, wenn der König von England in Trance fällt, sein Kind aber noch nicht geboren ist? Was glaubst du, was sie sich erträumen, wenn du zwar Erbin Lancasters bist, aber nur ein Mädchen, und obendrein noch nicht einmal verheiratet? Geschweige denn, dass du einen Sohn entbunden hättest?»
    «Sie wollen, dass ich in ihr Haus einheirate?», frage ich verwirrt bei dem Gedanken an ein neues Verlöbnis.
    Sie lacht kurz auf. «Ja. Aber um die Wahrheit zu sagen, am liebsten würden sie dich tot sehen.»
    Das bringt mich zum Schweigen. Dass eine ganze Familie, ein großes Haus wie York, sich meinen Tod wünscht, ist ein angsteinflößender Gedanke. «Aber der König wird doch gewiss bald aufwachen? Und dann ist alles wieder, wie es sein sollte. Und sein Kind könnte ein Sohn sein, der zum Erben Lancasters wird, und alles ist wieder, wie es sein sollte.»
    «Bete zu Gott, dass der König bald aufwacht!», entfährt es ihr. «Aber du solltest auch dafür beten, dass es kein Kind gibt, das dich verdrängen kann. Und bete zu Gott, dass wir dich unverzüglich verheiraten und deine Ehe unverzüglich vollzogen wird. Denn vor dem Ehrgeiz des Hauses York ist niemand sicher.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Oktober 1453
    D er König träumt weiter, in seinem Wachschlaf lächelt er. Wenn ich in meinem Zimmer alleine bin, versuche ich mich so hinzusetzen, wie er den Erzählungen nach dasitzt, und starre auf die Dielen. Es könnte ja sein, dass Gott so zu mir kommt, wie er zum König gekommen ist. Ich verschließe meine Ohren vor dem Lärm vom Stallhof unter meinem Fenster, vor dem lauten Singen aus der Waschküche, wo Wäsche gegen ein Brett geschlagen wird. Ich versuche, meine Seele zu Gott treiben zu lassen, und spüre den allumfassenden Frieden, der die Seele des Königs umfangen hält. Er sieht die besorgten Gesichter seiner Ratgeber nicht und ist sogar blind für seine Frau, als sie ihm den neugeborenen Sohn in die Arme legt und ihn auffordert aufzuwachen, um den kleinen Prinz Edward zu begrüßen, den Erben des Throns von England. Selbst als die Wut sie übermannt und sie ihm ins Gesicht schreit, er müsse aufwachen, weil das Haus Lancaster sonst dem Untergang geweiht sei.
    Ich versuche mich ganz von Gott einnehmen zu lassen wie der König, aber immer klopft jemand an die Tür oder ruft im Flur, ich solle kommen, um diese oder jene Aufgabe zu erledigen. Dann werde ich in die gewöhnliche, sündige Welt zurückgezerrt und wache auf. Ganz England rätselt, warum der König nicht aufwacht, und während er dort sitzt und nur auf die Worte der Engel lauscht, nimmt Richard of York, der sich selbst zum Regenten von England ernannt hat, die Zügel der Regierung in die Hand und benimmt sich wie der König persönlich. Und so tritt Margaret, die Königin, an ihre Freunde heran, um sie zu warnen, womöglich brauche sie ihre Hilfe zur Verteidigung ihres neugeborenen Sohns. Allein die Warnung reicht aus, um Unbehagen zu schüren. Überall in England beginnen Männer, Truppen anzumustern und sich zu überlegen, ob es ihnen unter einer verhassten französischen Königin mit einem rechtmäßigen neugeborenen Prinzen in den Armen bessergeht oder ob sie dem gutaussehenden,

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