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Der Thron der roten Königin

Der Thron der roten Königin

Titel: Der Thron der roten Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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Königin kleidet sie in ihre eigenen Roben – sie stimmen alles aufeinander ab. Die dünne alte Neville und dieses glühende, rosige Mädchen kommen in Kleidern von derselben Farbe und vom selben Schnitt zum Abendessen, als wollten sie alle ermutigen, sie miteinander zu vergleichen.
    Der König muss der Königin befohlen haben, sich ihr gegenüber so wohlwollend zu gerieren, denn sie tut alles, außer ihre Nichte zu ihrem Gemahl ins Bett zu legen. Einige teilen Deine Ansicht, dass Richard seine Nichte nur zu verführen sucht, um deinen Sohn zu beleidigen und ihn als hilflosen Hahnrei dastehen zu lassen. Falls dem so ist, gelingt es ihm meisterlich. An diesem heißblütigen Hof ist Henry Tudor eine Lachnummer. Viele finden jedoch, dass die Liebenden sich vollkommen unbesonnen verhalten, weil sie alles andere um sich herum vergessen haben und an nichts denken als an ihre Begierde.
    Die Weihnachtszeit am Hof ist in diesem Jahr wunderschön, und es tut mir sehr leid, dass Du nicht hier sein kannst. Reichtum und Prunk erinnern an Edwards Zeiten, und alles kreist um Edwards Tochter, die aussieht, als trete sie ihr Erbe an. Und selbstverständlich gehört sie auch hierher. Die Yorks sind tatsächlich die Sonne im Strahlenkranz, und wer einen Blick auf Elizabeth of York wirft, ist geblendet.
    Apropos, hast Du Nachrichten von Deinem Sohn Henry? Richards Spione statten ihm heimlich Berichte ab, aber ich kann nicht in Erfahrung bringen, welchen Inhalts sie sind. Ich weiß nur, dass der König ihn ebenso wenig fürchtet wie seinen Verbündeten, den verrückten Herzog der Bretagne. Im Juni ist Henry König Richards Leuten um Haaresbreite entwischt, musst du wissen, und es herrscht allgemein die Meinung, Henry werde in ganz Frankreich kein sicheres Versteck finden. Der französische König hält ihn wie eine Spielkarte in der Hand, bis er seinen Wert verloren hat. Vielleicht war die letzte Niederlage doch endgültig? Was denkst du? Und falls dem so ist, könntest du dir vorstellen, deine Hoffnungen für Henry aufzugeben und Richard um Vergebung zu bitten? Ich könnte mich unter Umständen für dich einsetzen, wenn du glaubhaft machen kannst, dass du wirklich am Boden zerstört bist.
    Ich schicke dir Weihnachtsgrüße und dieses Büchlein zum Geschenk. Es wurde von einem Thomas Caxton auf einer Presse eigener Bauart gedruckt und von Anthony Rivers, dem verstorbenen und von vielen sehr vermissten Bruder der Königin, nach England gebracht. Ich habe mir gedacht, ein gedrucktes Buch würde dich noch mehr interessieren als ein von Hand kopiertes. Alle sagen, Rivers sei ein Mann von großer Weitsicht gewesen, dass er eine solche Arbeit gefördert habe. Seine eigene Schwester, Königin Elizabeth, hat die erste Ausgabe herausgegeben; sie ist nicht nur eine Schönheit, sondern auch eine Gelehrte.
    Was würde geschehen, wenn alle lesen und solche Bücher kaufen könnten? Würden sie sich dann noch an Lehrer und Könige halten? Wären ihnen die Häuser Lancaster und York nicht vollkommen gleichgültig? Würden sie nicht eher über ihre eigenen Loyalitäten nachsinnen? Würden sie die Pest auf beide Häuser herabwünschen? Amüsante Spekulationen, findest du nicht?
    Stanley
    Ich lasse das Buch zu Boden fallen, so sehr verdrießt mich der Gedanke, dass Elizabeth of York und ihr inzestuöser Liebhaber-Onkel zum Weihnachtsfest tanzen, während Anne Neville, das arme Ding, ihnen zulächelt, als wären sie eine glückliche, vergnügte Familie. Auf Stanleys Sticheleien über Henrys Schweigen gelingt mir keine scharfe Replik. Ich weiß nicht, was er tut. Seit ihrer Flucht nach Frankreich, als Jasper mir schrieb, er habe Hoffnungen, über die er sich aber nicht näher ausließ, habe ich nichts mehr von ihnen gehört. Wahrscheinlich hat Jasper Henry geraten, mir nicht zu schreiben. Mag sein, sie vertrauen Henrys Boten Ned Parton nicht, sondern fürchten, dass er meinem Gemahl Bericht abstattet. Sie sind von Spionen umgeben, und sie müssen misstrauisch sein, aber inzwischen beschleicht mich das Gefühl, dass sie selbst mir nicht mehr vertrauen. Einst war dies
unsere
Schlacht,
unsere
Rebellion: wir Tudors gegen die Yorks. Nun trauen sie niemandem mehr, selbst mir nicht. Ich lebe so weit weg von allem. Ich weiß nur, was mein Gemahl mir schreibt, und er schreibt wie ein Triumphator, der seinen unterlegenen Feind verhöhnt.

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    März 1485
    W ieder ein Tag, an dem ich mich zur Frühandacht erhebe, an dem ich wie üblich um die

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