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Der Thron der roten Königin

Der Thron der roten Königin

Titel: Der Thron der roten Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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leise. «Vergiss nicht, sie kommt aus einem fruchtbaren Stall. Ihre Mutter hat fast jedes Jahr ein Kind entbunden. Sagen wir mal, Elizabeth schenkt ihm eine ganze Kinderschar und dazu die Unterstützung der Rivers und die Liebe der ganzen Sippschaft? Sein Sohn aus der Verbindung mit Anne Neville ist tot – was sollte ihn jetzt daran hindern, sie abzuschieben? Sie könnte ihm eine sofortige Scheidung gewähren und sich in ein Kloster zurückziehen.»
    «Warum gehst du nicht zurück an den Hof?», begehre ich auf. Ich ärgere mich zu sehr, um meine Zunge zu hüten. «Geh nur zu deinem treulosen Herrn und seiner yorkistischen Hure!»
    «Genau das habe ich vor.» Er schwingt sich in den Sattel. «Aber ich lasse dir Ned Parton hier.» Er deutet auf einen jungen Mann, der neben einem großen schwarzen Pferd steht. «Er ist mein Bote. Er spricht drei Sprachen, auch Bretonisch, falls du ihn in die Bretagne schicken willst. Er hat einen Passierschein für dieses Land, Frankreich und Flandern, den ich als Constable of England unterschrieben habe. Du kannst ihm vertrauen und ihm Nachrichten mitgeben, an wen du willst, niemand kann ihn aufhalten oder sie ihm abnehmen. Es mag vielleicht so aussehen, als sei König Richard mein Herr, aber ich habe deinen Sohn und seinen Ehrgeiz nicht vergessen, und an diesem Morgen ist er nur noch einen Schritt vom Thron entfernt. Er ist nach wie vor mein geliebter Stiefsohn.»
    «Aber auf welcher Seite stehst du?», frage ich ihn verdrossen, als die Männer ihre Pferde besteigen und sein Banner hochgehalten wird.
    «Auf der des Siegers», sagt er mit einem kurzen Lachen, schlägt sich als Abschiedsgruß auf die Brust wie ein Soldat und ist fort.

[zur Inhaltsübersicht]
    Sommer 1484
    I ch warte. Mir bleibt nichts, als abzuwarten. Über Ned Parton schicke ich Briefe an Jasper, die dieser höflich beantwortet, wie man einer weit entfernten, machtlosen Frau antwortet, die nichts versteht. Die gescheiterte Rebellion, die sie ihre Armee und ihre Flotte gekostet hat, hat auch ihr Vertrauen in mich als Mitverschwörerin untergraben, als mächtige Frau aus dem Land, das sie gehofft hatten einzunehmen. In den heißen Sommertagen, in denen die Saat heranreift und die Männer mit ihren Sensen Heu mähen, wird mir bewusst, dass ich so unwichtig geworden bin wie die ahnungslosen Hasen, die vor ihren Klingen fort direkt in die Fallen springen.
    Ich schreibe, ich versende Botschaften. Ich schelte Elizabeth Woodville, die irgendwann einmal Königin war, wegen des Verhaltens ihrer Töchter, von dem mir immer neue Einzelheiten zu Ohren kommen: von den schönen Kleidern, ihrer wichtigen Stellung am Hof, ihrer Schönheit, Fröhlichkeit und Freude, von der beschwingten Anmut der Rivers und dass sie sich von einem Vergnügen zum nächsten treiben lassen. Ihrer Großmutter Jacquetta wurde weithin nachgesagt, eine Hexe zu sein, eine Nachfahrin der Wassergöttin Melusine, und nun behaupten viele, die Mädchen verströmten ihre ganz eigene Magie. Die Schönste von ihnen ist das Mädchen, das Henry versprochen ist, sich aber benimmt, als hätte sie ihn vollkommen vergessen. Ich ziehe Elizabeth Woodville schriftlich zur Rechenschaft und weise das eitle Mädchen, Elizabeth von York, zurecht; ich erinnere Henry an seine Pflichten – und niemand, aber auch niemand, macht sich die Mühe, mir zu antworten.
    Ich bin allein in meinem Haus; und obwohl ich mich mein Leben lang nach einem abgeschiedenen Alltag im Gebet gesehnt habe, bin ich jetzt entsetzlich einsam. Allmählich befürchte ich, dass sich nichts je ändern wird und ich den Rest meines Lebens hier draußen verbringen werde, nur ab und an von einem johlenden Gemahl besucht, der den Wein aus meinem Keller trinkt und mit dem besonderen Genuss eines Wilderers die Rehe aus meinen Wäldern verspeist. Den Nachrichten vom Hof werde ich entnehmen, dass sich niemand an mich erinnert oder daran, welche Bedeutung ich einst hatte. Ab und an wird sich mein Sohn aus der Fremde melden, mir höflich seine guten Wünsche übermitteln und an seinem Geburtstag das Opfer anerkennen, das ich für ihn gebracht habe. Aber er wird mir nie seine Liebe versichern oder mir ankündigen, er werde bald bei mir sein.
    In meiner Einsamkeit sinniere ich darüber, dass wir getrennt wurden, als er noch sehr klein war, und dass wir uns seither nie nahegekommen sind – nicht wie eine Mutter ihrem Kind nahekommen kann, nicht wie Elizabeth Woodville immer für ihre Kinder da war, die sie selbst aufgezogen

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