Der Thron der roten Königin
und so offen geliebt hat. Jetzt, da ich ihm zu nichts mehr nutze bin, wird er mich ganz vergessen. Und die Wahrheit, die bittere Wahrheit ist: Wäre er nicht der Erbe meines Hauses, würde sich in ihm nicht all mein Ehrgeiz bündeln, so hätte auch ich ihn schon vollkommen vergessen.
Darauf schrumpft mein Leben zusammen: ein Hof, der mich vergessen hat, ein Gemahl, der mich verspottet, ein Sohn, der mich nicht braucht, und ein Gott, der verstummt ist. Es tröstet mich nicht, dass ich den Hof verachte, meinen Gemahl nie geliebt habe und mein Sohn nur geboren wurde, um meine Bestimmung zu erfüllen. Wenn er das nicht kann, so weiß ich nicht, was wir miteinander anfangen sollen. Ich bete weiter. Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll.
Pontefract, Juni 1484
Mylady,
ich schreibe, um Euch vor einem Vertrag zu warnen, den König Richard mit dem derzeitigen Herrscher der Bretagne unterzeichnet hat, der der Schatzmeister und oberste Beamte ist (da der Herzog der Bretagne zurzeit nicht bei Verstand ist). König Richard und die Bretagne sind zu einer Vereinbarung gelangt. England schickt Bogenschützen in die Bretagne, um ihr im Kampf gegen Frankreich beizustehen. Im Gegenzug nehmen sie Henry Tudor gefangen und senden ihn zur Exekution nach Hause. Ich habe mir gedacht, Ihr wolltet davon unterrichtet werden.
Ich bin wie stets Euer treuer Gemahl,
Stanley.
Ich habe niemanden, dem ich vertrauen kann, außer Ned Parton. Aber ich muss das Risiko eingehen. Ich schicke Jasper eine knappe Botschaft.
Stanley hat mir mitgeteilt, dass Richard eine Vereinbarung mit der Bretagne getroffen hat, um Henry zu inhaftieren. Seid gewarnt.
Dann gehe ich in meine Kapelle, knie mich vor den Altar und wende mich dem Kreuz des leidenden Christus zu. «Beschütze ihn», flüstere ich inbrünstig. «Beschütze meinen Sohn. Und lass ihn siegreich sein.»
Schon einen Monat später habe ich die Antwort. Sie kommt von Jasper und ist kurz und sachlich, wie immer.
Frankreich, Juli 1484
Sei bedankt für Deine Warnung, die durch Bischof Morton bestätigt wurde, der in Frankreich davon gehört hatte. Ich bin mit einigen unserer Männer über die Grenze nach Anjou geritten, um möglichst viel Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Zur selben Zeit hat Henry die Straße nach Vannes genommen, nur fünf Männer zur Garde. Er hat sich als Diener verkleidet und gelangte nur einen Tag vor der Abordnung aus der Bretagne über die Grenze. Es war sehr knapp, doch Dein Sohn hat der Gefahr gelassen ins Auge gesehen. Als wir in Sicherheit waren, haben wir darüber gelacht.
Wir sind dem französischen Hof willkommen; sie haben versprochen, uns mit einer Armee und finanziellen Mitteln zu unterstützen. Sie öffnen die Gefängnistore für uns, damit wir eine Armee aus Halunken rekrutieren können, und ich habe bereits einen Plan, wie ich sie im Kriegshandwerk ausbilden werde. Ich bin voller Hoffnung, Margaret –
–
JT
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Winter 1484
D er Hof verbringt die Weihnachtszeit in Westminster, und über den Klatsch in meinem Haushalt erfahre ich, dass Richard mindestens so prunkvoll feiert wie einst sein Bruder. Die Kunde von der Musik, den Spielen, den Kleidern und der Schlemmerei macht die Runde im Königreich. Von Mal zu Mal werden die Erzählungen prächtiger. Meine Bediensteten bringen das Weihnachtsscheit herein, die Mistelzweige und die Stechpalme und lassen es in der Küche ohne mich sehr fröhlich zugehen.
Der Marmorboden unter meinen Knien kommt mir sehr kalt vor. Niemand spendet mir Trost, ich bin entwurzelt und bar jeglicher Hoffnung. Richard steht in Westminster in der Herrlichkeit des mächtigen Hauses York stolz und erhaben weit über meinem Sohn und meinem Schwager, den mittellosen Kostgängern des englischen Feindes: Frankreich. Ich sehe, wie sie sich ins Exil ergeben, wie sie tiefer sinken und ihr Ruf immer schlechter wird. Ich befürchte, sie werden den Rest von Henrys Leben am Hofe Frankreichs fristen, und er wird als zweitrangiger Thronbewerber in die Geschichte eingehen: von Wert nur, um als Karte bei Vertragsverhandlungen ausgespielt zu werden, aber an sich wertlos.
Sehr selten nur schreibt mein Gemahl aus Westminster, und so stürze ich mich auf seine raren Worte wie eine Bettlerin auf einen Kanten Brot – derart ausgehungert nach Nachrichten, dass ich meinen Stolz ganz vergesse.
Die Prinzessin von York ist auf dem Höhepunkt ihres Wirkens; ihre Schönheit befehligt den Hof, und der König folgt ihr wie ein Schoßhund. Die
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