Der Thron der roten Königin
Junge, mein eigenes Kind, dies ist Englands rechtmäßiger König.
«Ich werde jeden Tag für dich beten und dir schreiben», sage ich ruhig. «Denk daran, mir zu antworten, denn ich muss wissen, wie es dir geht. Und denk daran, deine Gebete zu sprechen und deine Studien nicht zu vernachlässigen.»
«Ja, Frau Mutter», sagt er gehorsam.
«Ich passe auf ihn auf», sagt Jasper zu mir. Für einen Augenblick begegnen sich unsere Blicke, doch in ihnen liegt nichts als die grimmige Entschlossenheit, diesen Abschied hinter sich und diesen kostbaren Jungen ins Exil zu bringen, in Sicherheit. Jasper ist der einzige Mann, den ich je geliebt habe, vielleicht sogar der Einzige, den ich je lieben werde. Doch zwischen uns hat es nie eine Zeit für Liebesschwüre gegeben, meistens waren wir damit beschäftigt, uns voneinander zu verabschieden.
«Die Zeiten können sich ändern», sage ich zu Henry. «Es sieht aus, als wäre Edward jetzt, da unser König im Grab ist und unser Prinz ebenfalls tot, auf dem Thron sicher, aber ich gebe nicht auf. Gib auch du nicht auf, mein Sohn. Wir sind das Haus Lancaster, wir sind geboren, um England zu regieren. Ich habe es schon einmal gesagt, und ich hatte recht. Und ich werde wieder recht haben. Vergiss das nicht.»
«Nein, Frau Mutter.»
Jasper küsst meine Hand, verbeugt sich und geht zu dem Boot. Er wirft dem Kapitän ein paar Bündel zu, und dann steigt er, mit vorsichtig emporgehaltenem Schwert, in den Fischkutter. Er, der halb Wales befehligt, geht mit fast nichts fort. Dies schmeckt in der Tat nach Niederlage. Jasper Tudor verlässt Wales wie ein Gefangener auf der Flucht. Ich spüre, wie mir der Groll über die yorkistischen Thronräuber in den Eingeweiden brennt.
Mein Sohn kniet vor mir nieder, und ich lege die Hand auf seinen weichen, warmen Schopf und sage: «Gott segne und behüte dich, mein Sohn.» Und dann erhebt er sich. Im nächsten Augenblick ist er fort, leichtfüßig tanzt er über die schmutzigen Pflastersteine. Er springt die Stufen hinunter wie ein Reh, hüpft ins Segelboot, und sie legen ab, bevor ich noch ein Wort sagen kann. Mein Sohn ist fort, bevor ich ihm geraten habe, wie er sich in Frankreich zu benehmen hat, er ist fort, bevor ich ihn vor den Gefahren der Welt warnen kann. Es geschieht zu schnell, viel zu schnell. Und zu endgültig. Er ist fort.
Sie stoßen von der Kaimauer ab und setzen Segel, der Wind bauscht das Segel, und dann ziehen sie die Segel an. Knarrend antworten Mast und Segel auf den wachsenden Druck, und dann nimmt das Fischerboot Fahrt auf, zuerst langsam, dann immer schneller entfernt es sich rasch von der Hafenmauer. «Kommt zurück!», bin ich zu rufen versucht. «Verlasst mich nicht! Segelt nicht ohne mich!», wie ein Kind. Doch ich kann sie nicht zurückrufen, denn hier sind sie in Gefahr, und ich kann nicht weglaufen. Ich muss ihn ziehen lassen, meinen Sohn, meinen braunhaarigen Sohn, ich muss ihn übers Meer ins Exil gehen lassen, ohne zu wissen, wann ich ihn je wiedersehe.
***
Ich kehre nach Hause zurück – dumpf von der Reise und von meinen ununterbrochen gemurmelten Gebeten auf jedem Schritt des Weges. Mit vom Reiten schmerzendem Rücken und trockenen, wunden Augen treffe ich den Arzt an, der wie so oft nach meinem Gemahl sieht. Es war eine lange Reise, ich bin müde von der Straße und ausgelaugt vom Kummer über den Abschied von meinem Sohn. Bei jedem Schritt habe ich mich gefragt, wo er jetzt wohl sein mag und wann ich ihn wiedersehe, ja, ob ich ihn überhaupt jemals wiedersehen werde. Ich bringe einfach nicht den geringsten Funken Interesse auf, als ich das Pferd des Arztes im Stall stehen sehe und in der Halle auf seinen wartenden Diener treffe. Seit wir von der Schlacht von Barnet zurückgekehrt sind, war in unserem Hause immer eine Krankenschwester, der Arzt, der Apotheker oder der Bader beschäftigt. Ich nehme an, er hört sich wie üblich die Klagen meines Gemahls über die Schmerzen von seiner Verletzung an. Der Hieb auf seinem Bauch ist längst verheilt und zu einer wulstigen Narbe verwachsen, doch er macht gern viel Gewese darum; er spricht gern darüber, wie sehr er in den Schlachten gelitten hat, über den Augenblick, da das Schwert niederfuhr, über die Träume, die ihn nachts immer noch quälen.
Ich bin es gewohnt, sein Gejammer zu überhören oder ihm einen lindernden Trank oder frühe Bettruhe vorzuschlagen. Als der Kammerjunker also auf mich zukommt, sobald ich die Halle betrete, denke ich nur daran, dass ich
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