Der Thron der roten Königin
einen Mann zum Gemahl nehmen, der hoch in der Gunst des Königs steht, dieses Königs, des yorkistischen Königs … keinen Mann, der den häuslichen Herd und seine Felder liebt.»
«Sprich nicht so», flüstere ich.
«Ich weiß, dass ich dich enttäuscht habe», fährt er krächzend fort. «Und das tut mir leid. Ich war nicht gemacht für Zeiten wie diese.» Er lächelt sein schiefes, trauriges Lächeln. «Du schon. Du hättest eine große Befehlshaberin werden müssen, eine Johanna von Orléans.»
«Ruh dich aus», sage ich schwach. «Vielleicht geht es dir bald besser.»
«Nein, ich glaube, es ist vorbei. Aber ich segne dich, Margaret, und deinen Jungen. Ich bin überzeugt, du bringst ihn wieder sicher nach Hause. Wenn es jemandem gelingen kann, dann gewiss dir. Schließ Frieden mit den Yorks, Margaret, dann kannst du deinen Sohn nach Hause holen. Das ist mein letzter Rat für dich. Vergiss deine Träume von der Königswürde für ihn, das ist vorbei. Bemüh dich darum, ihn sicher nach Hause zu bringen, das ist das Beste für ihn und für England. Bring ihn nicht nach Hause, um einen weiteren Krieg zu führen. Bring ihn nach Hause, um Frieden zu schließen.»
«Ich werde für dich beten», sage ich leise.
«Danke», sagt er. «Ich glaube, ich möchte jetzt schlafen.»
Ich lasse ihn allein, damit er einschlafen kann, gehe leise hinaus und schließe die Tür. Ich sage ihnen, sie sollen mich rufen, falls sein Zustand sich verschlimmert oder er nach mir fragt, gehe in die Kapelle und knie mich auf den harten Steinboden vor den Altar. Ich benutze nicht einmal ein Kniekissen, und ich bete zu Gott, er möge mir meine Sünden gegenüber meinem Gemahl vergeben und ihn in sein heiliges Königreich aufnehmen, wo es keine Kriege gibt und keine rivalisierenden Könige. Erst als ich die Glocke im Turm über meinem Kopf schlagen höre, bemerke ich, dass der Morgen heraufdämmert und ich die ganze Nacht vor dem Altar gekniet habe und dass der Mann, dem ich dreizehn Jahre lang angetraut war, gestorben ist, ohne nach mir zu fragen.
***
Jeden Tag lasse ich in unserer kleinen Kapelle Messen für das Seelenheil meines Gemahls abhalten. Wenige Woche nach seinem Tod kommt ein Bote mit einem schwarzen Band an der Kappe vom Haus meiner Mutter, um mir mitzuteilen, dass sie gestorben ist. Jetzt bin ich ganz allein in der Welt. Die Einzigen, die mir als Familie noch geblieben sind, sind Jasper und mein Sohn im Exil. Ich bin verwaist und verwitwet, und mein Sohn ist weit fort. Die beiden wurden vom Kurs abgetrieben und sind statt in Frankreich in der Bretagne gelandet. Jasper schreibt mir, dass das Glück sich endlich zu unseren Gunsten wendet, denn der Herzog der Bretagne hat sie empfangen und ihnen Sicherheit und Gastfreundschaft in seinem Herzogtum versprochen. Vielleicht sind sie in der Bretagne sicherer als in Frankreich, denn mit Frankreich schließt Edward gewiss ein Friedensabkommen; er will jetzt nur noch Frieden. Ihm liegt nichts an Englands Ehre. Ich antworte sofort.
Mein lieber Bruder Jasper,
ich schreibe Dir, um Dir mitzuteilen, dass mein Gemahl, Sir Henry Stafford, seinen Verletzungen erlegen ist und ich jetzt Witwe bin. Ich wende mich an Dich als an das Oberhaupt des Hauses Tudor, damit Du mir rätst, was ich tun soll.
Ich mache eine Pause. Ich schreibe:
Soll ich zu Dir kommen?
, doch das streiche ich durch und werfe das Blatt weg. Ich schreibe:
Kann ich kommen, um meinen Sohn zu sehen?
Dann schreibe ich:
Bitte, Jasper
…
Am Ende schreibe ich:
Ich erwarte Deinen Rat,
und schicke die Nachricht per Boten.
Dann warte ich auf Antwort.
Wird er nach mir schicken? Wird er endlich sagen, dass wir drei zusammen sein können, er und mein Sohn und ich?
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Winter 1471 / 1472
I ch trage Schwarz für meinen Gemahl und meine Mutter und schließe einen großen Teil des Hauses. Im Witwenstand wird nicht von mir erwartet, dass ich meine Nachbarn bewirte, nicht im ersten Jahr meines Verlustes, und obwohl ich eine vornehme Lady des Hauses Lancaster bin, wird man mich nicht an den Hof bestellen. Dieser neue König, der König der Weißen Rose, und seine fruchtbare Frau werden mich in den zwölf Monaten meiner Trauer sicherlich auch nicht besuchen. Ich muss die Ehre ihrer Gunst nicht fürchten. Wahrscheinlich würden sie mich und das Haus Lancaster am liebsten ganz vergessen. Ich bezweifle vor allem, dass es ihr, die so viel älter ist als er – schon vierunddreißig! –, besonders gefallen würde, wenn
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