Der Thron der Welt
die Sehne spannen, als er Syth auf sich zulaufen sah.
«Geh weg!»
Sie beachtete ihn nicht.
Der Hund schoss hinter den Bären und zwickte ihn in einen Hinterlauf. Der Bär wirbelte herum und verfehlte den Hund mit seiner Pranke nur um Haaresbreite. Dann stellte er sich auf die Hinterbeine, und erst in diesem Moment, in dem sich das Tier über seinen Riesenhund erhob, wurde Wayland klar, wie unglaublich groß der Bär war. Der Hund wich seitlich aus, und der Bär fiel auf alle viere zurück. Und dann begann er, auf Syth zuzulaufen.
«Lauf!», schrie Wayland. Er spannte den Bogen und zielte. Ihm war klar, dass er einen Bären wohl kaum mit einem einzelnen Pfeil töten konnte.
Der Hund rannte los, um dem Bären den Weg zu Syth abzuschneiden, und legte sich mit dem Kopf zwischen den Vorderpfoten in den Schnee. Syth stand nur wenige Schritte hinter ihm. Sie bückte sich, raffte einen Schneeball zusammen und schleuderte in nach vorn. Das lächerliche Geschoss flog nicht einmal bis zu dem Hund.
Wayland zielte unter die Schulter des Bären und ließ den Pfeil abschnellen. In demselben Moment wechselte der Bär die Richtung, und der Pfeil glitt über seinen Rücken, ohne Schaden anzurichten. Das Tier lief in einer Art Buckelgalopp in Richtung des Fjords. Die ganze Strecke über hatte er den Hund auf den Fersen. Dann kam der Bär am Ufer an, glitt ins Wasser und schwamm weg. Wayland steckte den Bogen in den Schnee und ließ sich daran in die Hocke gleiten. Nach einer Weile hob er den Blick. Syth stand immer noch dort, wo er sie zuletzt gesehen hatte. Er musste sich am Bogen hochziehen, um sich wieder aufzurichten. Unendlich langsam bewegten sich Syth und er aufeinander zu, so als könnten sie beide nicht an die Existenz des anderen glauben.
«Gott sei Dank bist du gekommen», sagte Wayland. «Einen Augenblick später und …» Er atmete tief ein und schaute blinzelnd zum Himmel hinauf.
«Das war nicht ich. Ich habe nach Feuerholz gesucht, und der Hund war bei mir. Da hat er plötzlich sein Fell gesträubt und ist losgerannt.»
Wayland beugte sich schwer atmend über sie.
Syth legte ihre Arme um ihn. «Wein doch nicht. Der Bär ist weg.»
Wayland schwenkte einen Arm und gab immer noch diese seltsamen fiependen Geräusche von sich. «Ich weine nicht.»
Syth drehte sich etwas, sodass sie ihm ins Gesicht sehen konnte. «Was ist denn so lustig?»
«Du», schluchzte er. «Wie du mit Schneebällen nach dem Bären wirfst.»
XXV
W ayland lag vor der Höhle und beobachtete die Schleier des Wasserfalls, die langsam von der Felswand wegzogen.
«Einen Versuch mache ich noch.»
Syth sprang auf. «Nein. Der Bär wird wiederkommen.»
Wayland breitete die Arme aus. «Der Falke war so nah.»
Sie packte ihn an den Handgelenken. «Und der Bär auch. Was ist, wenn er dich tötet?»
«Das wird er nicht. Ich nehme eine Axt und einen Speer mit.»
Sie ließ ihn los und ging weg, die Hände mit gekreuzten Armen auf die Schultern gelegt. «Wenn du mich liebst, kannst du dein Leben nicht für einen Falken aufs Spiel setzen.» Sie stampfte mit dem Fuß auf und wirbelte herum. «Du musst ihn nicht fangen. Du hast schon mehr Falken gefunden, als du brauchst.»
«Dieser hier ist aber eine große Besonderheit.»
«Eine größere Besonderheit als ich?»
Wayland wusste, dass er diesen Streit mit Logik nicht gewinnen würde. Er stand auf und schloss Syth in die Arme. «Die Falken sind nicht das Wichtigste. Sie gehören ja nicht einmal mir. Wenn sie weg sind, habe ich dich immer noch. Und du hast mich immer noch.»
Syth sah zu ihm auf. «Für wie lange?»
Wayland bekam wieder das hohle Gefühl im Bauch, das ihn überfallen hatte, als er von dem ersten Falkenhorst heruntergeklettert war.
«Für immer.»
Sie schaute in die Richtung des Unterschlupfs, und ein Schauder lief über ihren Körper. «Wayland, wenn du den Falken heute nicht fängst, versprichst du mir dann, es aufzugeben?»
«Ich verspreche es.»
Sie dichteten den Spalt an dem verrutschten Deckstein mit Flechten ab. Wayland hatte den Falken nicht mehr gesehen, seit der Bär ihn in die Flucht geschlagen hatte. Er warf einen letzten Blick auf den Felsen mit dem Ansitz und wand sich dann rückwärts in den Unterschlupf hinein.
«Was ist, wenn der Bär wiederkommt?», fragte Syth noch einmal.
«Das wird er nicht.»
«Und was ist mit mir? Was ist, wenn der Bär in die Höhle tappt, während ich dort bin?»
«Der Hund wird dich früh genug warnen.» Wayland war
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