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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
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weiß, das dichte Daunenkleid über Brust und Bauch erinnerte an ein Schneefeld. Federn hingen wie Flaggen rechts und links der Federhosen an den Unterschenkeln herab. Mit einem bohrenden Blick aus seinen großen, schimmernden Augen sah er Wayland an, als wollte er seine Absichten aus ihm herauslesen, und es schien Wayland, als ob die Angst schon von Neugier abgelöst wurde. Wie ein Höfling, der sich vor dem König zurückzieht, rutschte er auf den Knien rückwärts hinaus und schloss die Zeltklappen.
    Nach dem Essen legte er sich hin und war augenblicklich eingeschlafen. Als er endlich wieder aufwachte, fühlte er sich völlig zerschlagen. Sein erster Gedanke galt dem Falken. Aus seinem Zelt kamen regelmäßige Streichgeräusche. Er putzte sich. Das war ein gutes Zeichen. Wayland ging auf Zehenspitzen hinüber, sprach dabei sanft vor sich hin, damit sein Auftauchen das Tier nicht zu sehr erschreckte, und schlug vorsichtig die Zeltklappen auseinander. Der Falke lehnte sich zischend auf den Schwanz zurück, doch er machte keinen Angriffsversuch.
    Wayland schloss die Zeltklappen, trat aus der Höhle in einen milden Tag und blinzelte zum Fjord hinüber. Er lag so still da wie ein Mühlteich. Syth wusch Wäsche in dem weiten, aber recht flachen Becken unter dem Wasserfall. Einige Kleidungsstücke hatte sie zum Trocknen schon auf Felsen ausgebreitet. Ein Feuer aus dem spärlichen Treibholz, das hier zu finden war, schwelte am Ufer des Beckens. Inmitten der glühenden Scheite lagen ovale Steine, und neben dem Feuer stand ein hoher, zeltförmiger Kegel aus Weidengeflecht, der mit Tüchern verhängt war. Wayland war immer noch zu verschlafen, um diese Merkwürdigkeiten richtig wahrzunehmen.
    Syth lächelte ihn strahlend an. «Ich dachte schon, du wachst nie mehr auf.»
    Wayland kniete sich an das Becken und wusch sich das Gesicht. «Wir sollten jetzt lieber packen, wenn wir heute Abend zu den anderen ins Lager zurückwollen.»
    «Es
ist
Abend.»
    Wayland blinzelte in die flach über dem Land liegenden Sonnenstrahlen. «Du hast recht. Glum sollte eigentlich schon hier sein.»
    Syth tauchte ein Paar Beinlinge in das Becken. «Er war heute morgen mit Raul da. Ich habe sie wieder weggeschickt.» Sie drehte sich zu ihm um. «Du hast so tief geschlafen, und ich wollte noch nicht zu den anderen zurück. Macht es dir etwas aus?»
    Er schüttelte den Kopf und setzte sich neben sie. Wayland hatte selbst keine Sehnsucht nach dem Lager der Grönländer. In den wenigen Wochen, die sie in den Jagdgebieten verbracht hatten, war aus dem Lager das reinste Schlachthaus geworden. Die Grönländer hatten drei Walrösser getötet, ihnen nur die Haut abgezogen und die Stoßzähne abgesägt, und die Kadaver zum Verrotten am Strand liegenlassen. Mit ungezählten Robben und Füchsen waren sie auf die gleiche verschwenderische Art umgegangen, und einen fünfzehn Fuß langen Wal hatten sie mit der Ebbe entsorgt, nachdem sie den Walspeck und ein paar dicke Fleischstücke für ihren Vorrat aus seinem Körper geschnitten hatten. Das einzige Wild, das sie vollständig verwerteten, waren Alkvögel, die sie mit Netzen an ihren Brutplätzen fingen und in Fässern mit vergorener Molke konservierten. Der Gestank von verwesendem Fleisch und der süßliche Geruch aus den Kesseln, in denen das Walfett ausgekocht wurde, hing wie eine Glocke über dem Lager.
    Hier aber war die Luft rein und belebend. «Ich bin am Verhungern.»
    Syths Miene erhellte sich. «Ich habe einen Fisch gefangen. Du musst nur noch ein bisschen warten.»
    Sein eigener Hunger ließ Wayland daran denken, dass der Falke vielleicht etwas fressen wollte. Sie hatten noch zwei Tauben übrig. Wayland tötete eine von ihnen, schlug die Klappe des Falkenzelts zurück und schob sich hinein. Der Vogel schrak zurück, riss herausfordernd den Schnabel auf. Blickkontakt vermeidend streckte Wayland ihm die Taube entgegen. Er rechnete nicht damit, dass der Falke sie nehmen würde. Als er nicht zubiss, sah er ihn verstohlen an. Noch immer saß der Falke zurückgelehnt da, allerdings wanderte sein Blick immer wieder zu der Taube. Wayland begann bis zehn zu zählen. Wenn der Vogel das Futter bis dahin nicht angenommen hatte, würde er die Taube auf den Boden legen. Bei sieben streckte der Falke den Kopf vor und schlug den Schnabel in die Taube. Wayland ließ sie nicht los. Der Falke zerrte an der Taube, und dann, ohne zu zögern, ging er auf Waylands Faust. Dort saß er und sah Wayland mit diesem bohrenden

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