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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
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durch Dunstschichten wie ein roter Zwergmond. Mittags war es wolkig. Weitere zwei Tage später ließen sie die Westmann-Inseln hinter sich. Ein schwacher Wind kam aus Südwest. Wenn dieser Wind anhielt, würde er sie nördlich an den Färöern vorbeibringen.
    In der nächsten ruhigen Morgendämmerung wurde Vallon von einem Ruf geweckt.
    «Isländische Schiffe voraus!»
    Vallon ging in den Bug und musterte die Flottille, die sich deutlich gegen die aufgehende Sonne abhob.
    «Was haltet Ihr davon, Hauptmann?», fragte Raul.
    «Ich glaube nicht, dass sie uns auflauern. Vermutlich haben sie Zeit verloren, als sie Drogos Männer aufgenommen haben.»
    «Soll ich den Kurs ändern?»
    «Nicht nötig. Wir hängen sie auch so früher oder später ab. Und bis dahin können wir ihnen hinterherfahren. Ihre Lotsen kennen die Seewege besser als wir.»
    Raul streifte Vallon mit einem Blick. «Mit Verlaub, Hauptmann, aber was habt Ihr getan, um Helgi so gegen Euch aufzubringen?»
    «Tja, jetzt kann es ja nichts mehr schaden, wenn ich es erzähle. Ich bin zufällig auf seine Schwester gestoßen, als sie gerade in einer heißen Quelle gebadet hat.»
    «Nackt?»
    «Sie hatte keinen Faden am Leib.»
    Raul pfiff vor sich hin. «Ich habe sie ja noch nicht gesehen. Ist sie wirklich so schön, wie alle sagen?»
    Vallon lächelte. «Sie ist schön wie die Venus, aber zu hitzköpfig für meinen Geschmack.»
    Sie hielten sich zwei Tage lang hinter dem Schiffsverband und lebten einen unangestrengten Bordalltag. Vallon übte Englisch, ging mit Richard die Rechnungslisten durch und spielte Rukh. Hero überprüfte regelmäßig ihre Position und führte gestelzte Gespräche mit den Mönchen. Wayland und Syth fütterten die Falken und tauschten jeden Morgen das verschmutzte Moos unter ihren Sitzstangen aus. Garrick versorgte die Pferde im Laderaum. In der langen Phasen der Untätigkeit hörten sich die Übrigen Rauls und Waylands Berichte von Grönland an.
    «Oh, ich wünschte, ich wäre dabei gewesen», sagte Richard immer wieder.
    Sie sahen nichts von den Färöern und hörten am fünften Tag auf, nach den Inseln Ausschau zu halten. Feine Zirruswolken kündigten eine Wetterfront an, die von Süden heraufzog. Um die Mittagszeit des sechsten Tages verschwand der Horizont hinter einem schwarzen Wolkenvorhang mit ausgefranstem, trübgrauem Saum. Raul und Garrick drehten das Beiboot um und sicherten es mit Tauen auf der nach achtern gelegenen Ruderbank. Wayland und Syth trugen die Falken hinunter auf das Achter-Halbdeck. Auch die Mönche zogen sich in den Laderaum zurück. Vallon und Raul blieben an Deck.
    Der Himmel verdüsterte sich. Erste Regentropfen fielen klatschend aufs Deck, und das Schiff neigte sich in den Böen. Dann zogen schiefergraue Regenschwaden zischend übers Meer heran und hüllten sie ein. Vallon rannte zum Beiboot und kauerte sich darunter. Es goss in Strömen. Der Regen hämmerte auf den Schiffsrumpf und verwandelte das Deck in eine blubbernde Fläche. Vallon behielt Raul im Blick, der am Ruder stand wie ein zotteliger Neptun. Bald begann er zu frieren, und seine Gelenke wurden steif. Schließlich ging er zum Ruder hinüber.
    «Ich übernehme.»
    Die Shearwater schob sich mit schwerfälliger Grazie über die Wellenkämme. Gischt spritzte über den Bug. Der Regen hielt unvermindert an, und Vallon wurde bis auf die Haut durchnässt. Die vier Schichten dicker Wollsachen wärmten ihn nicht, aber sie sorgten für genügend Dämmung, um seine Körpertemperatur gerade eben auf erträglichem Niveau zu halten. Als es Abend wurde, löste ihn Wayland ab, und er kroch erneut unter das Beiboot, um sich auszuruhen. Er schlief ein, und als er wieder aufwachte, herrschte pechschwarze Finsternis. Das schlechte Wetter hatte sich schon beinahe zu einem Sturm gesteigert. Knallend peitschte der Regen auf das Segel. Vallon kroch unter dem Boot hervor und hielt sich bei jedem Schritt irgendwo fest, während er zum Steuerruder ging, an dem noch immer Wayland stand.
    «Ist mit dem Schiff alles in Ordnung?»
    «Wir haben bei unserer Rückfahrt Schlimmeres überstanden.»
    Da trommelte der nächste, heftige Regenguss aufs Segel. Bittere Galle stieg aus Vallons Magen auf. Er kauerte sich auf eine Ruderbank, blinzelte in die klatschnasse Dunkelheit und schniefte, während ihm der Regen übers Gesicht lief. Schließlich konnte er seinen Magen nicht mehr beherrschen. Er stand schwankend auf und erbrach sich über die Reling. Dann sank er bis zum nächsten

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