Der Thron der Welt
mache mir Sorgen um dich. Du wirst nie in Kiew ankommen, wenn die Boote so schwer beladen sind.»
Vallon ballte die Fäuste an den Oberschenkeln. Wo zum Teufel waren Wayland und Syth?
Sie lagen sich im Halbschlaf in den Armen, und Syth drehte eine Locke von Wayland um ihren Zeigefinger. Über ihnen jagten sich zwei Eichhörnchen im Geäst einer Kiefer. Sie vollführten irrwitzige Sprünge und stoppten dann urplötzlich, als würde sie ein Magnet an die Äste bannen.
«Wach auf.»
Wayland stützte sich auf die Arme und spähte über den Baumstamm. «Die Auerochsen sind weg.»
Syth schüttelte sich vor unterdrücktem Lachen. «Ich frage mich, wovor sie sich erschreckt haben.»
Wayland lehnte sich gegen den Stamm, und Syth legte ihren Kopf in seinen Schoß.
Sie seufzte. «Caitlin ist wunderschön, findest du nicht auch?»
«Nicht halb so schön wie du.»
Syth tippte ihm an die Nasenspitze. Wieder seufzte sie. «Was würde ich für ihre großartigen Locken geben.»
Wayland richtete sich etwas auf. «Warum redest du immerzu von ihr? Man wird überhaupt nicht klug aus ihr. Du magst sie doch bestimmt nicht.»
«Sie ist nicht so schlecht, wenn man sie erst einmal kennengelernt hat.»
«Sie macht nur Ärger. Ich verstehe nicht, warum Vallon sie mitkommen lässt.»
«Sie ist in ihn verliebt.»
Wayland fuhr auf. «In Vallon? Aber sie hat versucht, ihn umzubringen!»
«Liebe und Hass liegen nicht so weit auseinander, wie du vielleicht denkst.»
«Wer hat dir denn das erzählt?»
«Niemand. Aber manchmal, wenn du deine Launen hast oder mich wegen der Falken vernachlässigst, werde ich böse auf dich, und dann begehre ich dich am meisten.»
«Caitlin wird bei Vallon überhaupt nichts erreichen. Nach der Erfahrung mit seiner Frau glaube ich nicht, dass es noch einmal einer gelingt, zu seinem Herzen vorzudringen.»
«Sei nicht so sicher. Er ist nicht so schrecklich, wie ich zuerst dachte, und mit der Liebe weiß man nie.»
Drei drängende Töne ließen sie auseinanderfahren. «Das ist der Alarm!» Wayland sprang auf und suchte seinen Schuh. Ein Dorn bohrte sich in seine Fußsohle. «Mist!» Er packte Syth an der Hand und zog sie hinter sich her. Sie stemmte sich dagegen.
«Wir werden in die Auerochsenherde hineinlaufen.»
Wayland starrte in Richtung Fluss. Er war weniger als eine Meile entfernt. Sein Blick zuckte auf der Suche nach einem anderen Weg herum. «Wir verlieren zu viel Zeit, wenn wir um sie herumgehen.» Er nahm Syth fest an der Hand und eilte geradeaus.
«Wayland!»
«Wir treiben sie vor uns her. Ich weiß nicht, was am Fluss passiert, aber ein Ablenkungsmanöver nutzt vielleicht sogar etwas. Du bleibst auf der rechten Seite hinter mir. Wenn du mich rufen hörst, dann schrei, so laut du kannst, und hör nicht auf damit. Und schlag mit einem Stock gegen die Bäume. Mach so viel Aufruhr wie möglich.»
«Und was ist, wenn sie uns angreifen?»
«Dann klettern wir auf einen Baum.»
Sobald Syth ihre Position eingenommen hatte, rannte er über die Lichtung und in den Wald. Die Auerochsen hatten tiefe Hufabdrücke und beträchtliche Dunghaufen hinterlassen. Der Wind stand in Gegenrichtung, und so konnte sich Wayland schnell vorwärtsbewegen. Die Spuren führten in einen dichtbewachsenen Jungwald, in dem man nicht weiter als dreißig Fuß freie Sicht hatte. Er drehte sich um und bedeutete Syth, dass sie bleiben sollte, wo sie war. Vorsichtig ging er weiter. Trotz ihrer Größe waren die Auerochsen zwischen den engstehenden Bäumen hindurchgezogen. Wayland war mitten in dem Dickicht, als das Warnsignal erneut vom Fluss herüberhallte. Es musste ernst sein.
Er kam zu einem Gewirr umgestürzter Bäume, kämpfte sich durch und erreichte ein unberührtes, tief verschattetes Waldstück. Er blieb stehen, damit sich sein Gehör an die neue Umgebung gewöhnen konnte. Goldgrüne Lichtspeere durchbohrten das Zwielicht, in dem er sich beinahe wie unter Wasser fühlte. Er spähte zwischen dunklen Ästen und Zweigen hindurch. Nichts. Das Hornsignal hatte die Auerochsen verscheucht, und inzwischen waren sie vermutlich schon eine Meile entfernt. Er wollte gerade den nächsten Schritt machen, als sich einer der tiefschwarzen Schatten bewegte. Wayland blinzelte, blinzelte noch einmal, und da nahm der riesenhafte Bulle keine vierzig Schritt entfernt aus dem Waldesdunkel heraus Form an. Das Tier hatte ihn wahrgenommen und sah mit zuckenden Ohren, die feuchten Nüstern geweitet, in seine Richtung. Wayland drehte sich
Weitere Kostenlose Bücher