Der Thron der Welt
wattierten, eckig geschnittenen Mänteln. Sie sahen nicht wie Seldschuken aus. Ihre Gesichtszüge waren feiner, und sie hatten schwarze Mähnen und haselnussbraune Augen mit grünen Einsprengseln.
«Sie kommen aus Afghanistan», sagte Hero, nachdem er mit ihnen gesprochen hatte. «Ihr Vater ist Soldat in der seldschukischen Hilfstruppe.»
Er fragte, ob er einen der Drachen halten dürfe. Einer der Jungen gab ihm die Leine und versank dabei vor Schüchternheit fast im Boden. Hero riss überrascht die Augen auf, und als er die Leine weitergab, wusste Wayland, warum. Es wehte nur eine schwache Brise, doch der Drachen hatte so viel Auftrieb, dass Wayland dagegenhalten musste. Er bat die Jungen, die Drachen herunterzuholen, und sie lenkten sie in den Wind, bis sie zu Boden flatterten. Sie waren etwa drei Fuß breit und bestanden aus Baumwolltuch, das über einen Weidenrahmen gespannt worden war. Wayland nahm einen davon in die Hand, und dann sah er zum Himmel hinauf.
«Versuch’s», sagte Hero.
«Was, jetzt gleich?»
«Dann sehen wir, ob sich der Falke sein Futter von dem Drachen holt.»
Wayland band den Köder an den Schwanz des Drachen und gab ihn Hero in die Hand. «Halt ihn mit dem Köder ungefähr in Brusthöhe.» Dann kauerte er sich nieder und zog dem Falken die Haube ab. Der stieß angesichts der merkwürdigen Vorrichtung mit dem Schnabel vor. Wayland zog ihm die Haube wieder über den Kopf, und der Vogel griff noch einmal an. «Senk den Köder.»
Hero trug ihn bis einen Fuß vor den Falken. Dieses Mal erkannte der Vogel das Futter und flatterte hoch, um es zu schnappen. Wayland ließ ihn den Brocken fressen, dann zog er ihm die Haube wieder über. «Noch ein Versuch. Stell dich dort auf die Erhöhung, und halte den Drachen, so hoch du kannst.»
Der Falke lernte schnell. Er flog geradewegs zum Köder, hängte sich daran, zog Hero den Drachen aus den Händen und zerfetzte ihn auf dem Boden mit den Krallen. Die afghanischen Jungen sahen fassungslos zu, als Wayland den Falken aus dem Trümmerhaufen befreite.
«Wir brauchen einen viel größeren Drachen», sagte Hero. «Und es würde helfen, wenn wir den Köder an eine Art Öffnungsmechanismus binden könnten. Ich denke mir was aus.»
Er fragte die Jungen, wer die Drachen gemacht hatte. Sie deuteten auf eine Zeltgruppe, die in einiger Entfernung stand, und erklärten ihm, dass ihr Großvater die Drachen gebaut hatte.
«Würde er auch einen für uns machen? Einen großen?»
Der ältere Junge nickte feierlich.
«Dann sagt eurem
buyukbaba
, dass wir ihn morgen früh besuchen. Wir bringen alles mit, was er braucht.»
«Der Falke hat ihren Drachen kaputtgemacht», sagte Wayland. «Haben wir etwas, das wir ihnen dafür geben können?»
Hero grinste. «Ich habe genau das Richtige.» Er fischte in seiner Börse herum und zog eine der afghanischen Münzen heraus, die ihm Cosmas hinterlassen hatte.
Nachdem er sie den Jungen gegeben hatte, rannten sie damit wie der Wind über die Ebene davon.
«Sie müssen uns für vollkommen verrückt halten», sagte Hero.
Wayland lachte und klopfte ihm auf den Rücken. «Du bist ein Genie. Auf die Idee mit dem Drachen wäre ich in hundert Jahren nicht gekommen.»
«Und ich könnte in hundert Jahren nicht lernen, einen Pfeil gerade abzuschießen oder Tierfährten zu lesen.»
Wayland lächelte ihn an. «Wir sind ein gutes Gespann, oder?»
Hero nickte. «Ich wünschte nur, Richard wäre hier.»
«Und Raul. Ich glaube nicht, dass er uns allein hätte weiterfahren lassen, wenn er in Nowgorod noch am Leben gewesen wäre.»
«Ich auch nicht.»
Bei Sonnenaufgang brachen sie zum Zeltlager der Nomaden auf, trabten durch ganze Ströme blökender Schafsherden und Reihen stöhnender Kamele. Als sie ankamen, waren die Zwillingsgipfel im Süden blau und golden überhaucht. Die beiden afghanischen Jungen rasten aus ihrem Zelt und lockten mit ihren Rufen auch die übrige Familie an den Eingang. Der gebeugte Patriarch mit dem immensen schwarzen Turban musste der Drachenbauer sein. Von dem Vater der Jungen war nichts zu sehen. Ihre Mutter wiegte einen Säugling, und drei Töchter spannen im Stehen mit Fallspindeln Wolle.
Aber es war der Hund, der vor einem gemauerten Zwinger angebunden war, der Wayland und Syth dazu veranlasste, sich verblüfft anzustarren. Riesig, zottelig und bedrohlich stellte er sich auf die Hinterbeine, zerrte an seiner Leine und bellte tief und dröhnend. Es war eine Hündin, die gerade geworfen hatte. Hinter
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