Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
Vom Netzwerk:
oder?»
    «Nicht, wenn der Falke den Kranich tötet.»
    «Aber wenn er es nicht tut, dann tötet der Emir vielleicht dich.»
    «Syth …»
    «Hast du denn keinen Augenblick darüber nachgedacht, was aus mir wird … und aus unserem Kind?»
    Ein Seldschuke rief etwas. Waylands Blick schoss empor, voller Hoffnung. Und er sah den Falken stürzen … stürzen … stürzen. Der Sturzflug verlief in so rasender Geschwindigkeit, dass er nur wie eine flimmernde Bilderfolge wahrnehmbar war. Fünfhundert Fuß über der Hochebene wurde aus dem Tropfenumriss des Falken ein Bogen. Er schwang sich in den Wind und ruhte sich im Gleitflug aus. Suleimans Männer stöhnten auf, und Wayland ließ die Stirn in die Hand sinken. Es war vorbei. Der Kranich hatte den Falken überflügelt, und Wayland hatte die Konsequenzen zu tragen.
    Ibrahim galoppierte auf ihn zu, schnappte sich die Zügel von Waylands Pferd und zog es mit sich. «Ruf ihn herunter.»
    Wayland ließ sein Federspiel kreisen. Der Falke reagierte nicht darauf. Er ließ sich vom Wind tragen, die Schwingen in einem weiten Rückwärtsbogen ausgebreitet. Er wollte immer noch fliegen und wartete darauf, dass ein neues Beutetier aufgescheucht wurde.
    Ibrahim warf eine lebende Taube an einer Schnur in die Luft. Beim zweiten Wurf beschrieb der Falke eine Kurve. Wayland blinzelte. Der Falke flog in die falsche Richtung, auf die untergehende Sonne zu.
    «Er ist hinter irgendetwas her.»
    Einen Augenblick lang dachte Wayland, der Falke hätte den Kranich gesehen. Aber nur einen Augenblick. Dann sah er es. Der Falke jagte eine Taube. Sie hatte so großen Vorsprung, dass er sich bei jedem anderen Falken über diese vergebliche Verfolgungsjagd die Haare gerauft hätte. Aber sein Falke war eben nicht jeder andere Falke, und deshalb konzentrierte sich Wayland darauf, ihn nicht wieder aus den Augen zu verlieren. Die Taube flog auf die untergehende Sonne zu. Wayland beschirmte seine Augen mit der Hand und sah die Taube vom Rand aus vor die Feuerscheibe schweben. Der Falke hielt direkt darauf zu. Die Blendung fraß sich in Waylands Augen. Er wischte ein paar Tränen weg. Als er den Falken wieder sah, war er sehr dicht hinter der Taube, kam ihr immer näher, als würde er sie an einer Schnur zu sich heranziehen. Die Taube versuchte nach unten auszubrechen. Der Falke flog noch etwas höher, bevor er ihr nachjagte. Die beiden Punkte am Himmel verschmolzen zu einem, und dann war nichts mehr zu sehen. Wayland merkte sich die Stelle, an der sie verschwunden waren. Sie war über dem Sumpfland, das sich um den Salzsee zog.
    Er drehte sich zu Ibrahim um. «Er hat sie geschlagen.» Reiter, die wild auf ihre Pferde einpeitschten, hielten auf sie zu. «Such ihn», befahl Ibrahim.
    Die ersten Reiter waren nur noch Schritte entfernt, als Wayland seinem Pferd die Sporen gab und Richtung See galoppierte. Ibrahim versuchte, ihm eine Gnadenfrist zu verschaffen. Wenn er den Falken wiederfand, sollte er bis tief in die Nacht warten, bevor er ins Zeltlager zurückkehrte. Ibrahim würde die Zeit nutzen, um sich für ihn einzusetzen. Er würde Suleiman erzählen, dass Wayland die Befehle des Emirs missverstanden habe. Er würde erklären, der Falke sei so erregt gewesen, dass er sich losgerissen hatte.
    Der Flug hatte mehr als eine Meile entfernt geendet, und Wayland wusste, dass die Chancen schlecht standen, den Falken zu finden, bevor es ganz dunkel wurde. Die Sonne ließ den Horizont erglühen, und der Falke konnte überall in dem Ödland der Salzpfannen gelandet sein. Und genauso gut konnte er seine Beute bis zum anderen Ufer des Sees hinübergetragen haben.
    Hinter Wayland wurden Hufschläge laut, und zwei Reiter holten zu ihm auf. Einer war Syth, der andere Walter. Er schlug Wayland mit dem Handrücken ins Gesicht.
    «Du niederträchtiger Hund! Du hast Suleiman zum Gespött gemacht. Jetzt kann dich nichts mehr retten. Ich hätte gute Lust, dir selbst den Kopf abzuschlagen. Ich werde Suleiman darum bitten, mir dieses Vorrecht zu gewähren.»
    Wayland ritt betroffen weiter. Er kam zu dem Sumpfgebiet, das sich bis zum See hinzog, und zügelte sein Pferd. Die Sonne war schon halb hinterm Horizont verschwunden, und es wehte ein schneidender Wind. Wayland musterte die Landschaft. Zu seiner Rechten und etwa eine Meile hinter dem Beginn des Marschlandes schwebte ein Adler auf Beutesuche über dem Röhricht und ruderte gelegentlich mit einer schwankenden Bewegung in der Luft zurück. Er musste gesehen haben, wie der

Weitere Kostenlose Bücher