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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
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noch nie gesehen. Er hat es im Marschland versteckt.»
    Wayland sah zu dem schwankenden Schilf hinüber. «Weißt du, wann er zurückkommt?»
    «Bald. Er ist fischen. Er ist schon seit heute früh weg.»
    «Wie ist er?»
    «Ekelhaft.»
    Wayland setzte sich auf den Boden. Das Mädchen setzte sich auch. Sie betrachteten einander. Wayland brach ein Gebäckstück in zwei Hälften. «Wie heißt du noch mal?»
    «Syth. Das habe ich dir schon gesagt. Du solltest besser aufpassen.»
    Er unterdrückte ein Lächeln. Das hatte allerdings sehr nach seiner Schwester geklungen.
    Sie nahm das Gebäckstück in beide Hände und schlang es, gelegentlich zu ihm hinüberblickend, wie ein Tier hinunter. Sie war so schmal, dass er glaubte, ihre Knochen durch die Haut schimmern zu sehen. Er gab ihr seine eigene Hälfte des Gebäcks. «Ich habe schon gegessen», sagte er und stand auf, um aufs Meer hinauszusehen.
    «Da kommt er.»
    Vom Marschland her stakte sich ein Mann einhändig heran, die Stake an der Brust und dem Stumpf seines anderen Arms abgestützt. Seine Stirn war entstellt – eine Verbrennung war bis auf den Knochen gedrungen. Er war eine hässliche Erscheinung mit gedrungenem Körperbau, fliehendem Kinn und einem spärlichen, mit Essensresten und Rotz verklebten Bart.
    Er ging an Land, band den Kahn fest und hob einen Binsenkorb heraus. Ohne Wayland zu beachten, griff er in den Korb, zog einen riesigen Aal heraus und ließ ihn vor dem Mädchen baumeln. Ein sich windendes, schwarz-bronzefarbenes Durcheinander füllte den Korb zur Hälfte.
    «Das sind mal ein paar Schönheiten, was? Hab einen Ertrunkenen im Graben gefunden, den hab ich ihnen hingeworfen, damit sie sich fett fressen. Haben ihn in einer Nacht bis auf die Knochen blankgeknabbert. Die verkauf ich in Norwich. Die Normannen mögen Aal. Werd ihnen nicht erzählen, wie sie so dick geworden sind.» Er sprach in einer merkwürdigen Mischung aus Nordisch und einem Dialekt aus der Gegend, der klang, als würde jemand durch schmatzenden Schlick waten.
    Wayland trat vor ihn. «Wie ich höre, bist du ein Schiffsmeister.»
    «Haben sich schon ne Menge Fremde in den Marschen verirrt», sagte Snorri mit erhobener Stimme. «Stimmt doch, Schätzchen, oder?»
    «Wir wollen das Schiff mieten.»
    Snorri deutete auf seinen Kahn. «Die kleine Nussschale. Kauft euch selber eins. Das da brauch ich zum Fischen.»
    «Ich rede von der Knarr, mit der du von Norwegen hierhergesegelt bist.»
    Snorri lachte schnarrend. Mit ausgebreiteten Armen drehte er sich im Kreis. «Siehst du hier irgendwo eine Knarr?»
    «Ich meine die Knarr, die du in den Marschen versteckt hast.»
    Snorri warf einen finsteren Blick auf das Mädchen. «Kannst dich ja danach umsehn, wenn du willst. Von mir aus das ganze Jahr. Aber ich will keine Klagen hören, wenn dir was passiert. Die Marschen und ihre Wasserläufe sind nichts für Leute, die nicht damit geboren und aufgewachsen sind.»
    «Wir bezahlen dich dafür.»
    Zum ersten Mal sah Snorri Wayland direkt an. «Verzieh dich. Du hast doch sowieso nichts außer den Hosen über deinem blanken Hintern.»
    Wayland zog die Schnur des Beutels auf, sodass schimmerndes Silber sichtbar wurde. Snorri fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Wayland zog den Beutel wieder zu.
    «Zeig mir das noch mal.»
    Wayland steckte den Beutel weg.
    Snorri grinste anzüglich. «Ich verkauf dir das Mädchen, wenn du scharf auf sie bist. Würde ’ne hübsche Mutter abgeben. Und ’ne gute Frau.»
    Wayland warf dem Mädchen einen Blick zu. «Sie gehört dir nicht. Du kannst sie nicht verkaufen.»
    «Hat doch sonst keinen. Die ganze Familie ist tot. Wenn ich nicht so ein Menschenfreund wär, läg sie auch schon unter der Erde. Hab dich nicht so. Sie ist noch Jungfrau, soweit ich weiß. Hütet hier mein Haus. Aber das bedeutet nicht, dass sie nicht wüsste, wie sie einen Kerl um den Verstand bringt.» Er ließ seinen Armstumpf auf- und niederfahren. «Sie ist meine rechte Hand, wenn du verstehst, was ich meine.»
    Das Mädchen raffte sein fadenscheiniges Gewand zusammen und lief weg.
    «Die kommt wieder», sagte Snorri. «Kann ja sonst nirgends hin.»
    Wayland kämpfte den Drang nieder, den Mann zu erwürgen. Der Hund fletschte drohend die Zähne. «Ich habe kein Interesse an dem Mädchen.»
    «Wenn ihr so dringend ein Schiff braucht, wieso mietet ihr dann keins in Norwich oder Lowestoft?»
    «Komm», sagte Wayland zu dem Hund.
    «Wo willst du denn jetzt hin?»
    Wayland wedelte unbestimmt mit der

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