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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Lyndon
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genau vor dir», sagte Snorri. Dann packte er das Schilfdickicht und zog daran. Eine sechs Fuß breite Öffnung tat sich auf, und Wayland hatte einen Abschnitt Klinkerbeplankung vor sich.
    «Das ist sie. Die
Shearwater
. Mein Seebezwinger, mein Wellenreiter.»
    «Sie ist ein Wrack.»
    Snorri wurde wütend. «Sie ist nicht einmal sieben Jahre alt.» Er klopfte an den Schiffsrumpf. «Hörst du das? Eiche. Kernholz. Kein einziger Wurm drin. Und sieh dir das mal an», sagte er und deutete auf den Vordersteven. «Der stammt von einem Schiff, das unter Knut mit einer Flotte nach Norwegen gesegelt ist. Aus einem einzigen Stamm gehauen. Was sagst du dazu?»
    «Mein Großvater hat mit Knut gekämpft.»
    Snorri betrachtete ihn. «Könnte sein, dass du einen Tropfen Wikingerblut in dir hast.» Er strich über die Nieten, von denen die Planken zusammengehalten wurden. «Hat mein Onkel geschmiedet, war der geschickteste Schmied in ganz Hordaland. Und hier», sagte er, beugte sich über das Dollbord und deutete auf die Verbindung zwischen den Planken und den unterhalb der Wasserlinie gelegenen Spanten. «Das ist kein billiger Fichtenwurzelbast. Das ist Walbein.»
    Wayland schwang sich an Deck. Das Schiff war wesentlich größer, als er erwartet hatte. «Es hat ein Loch.»
    «Klar hat sie ein Loch. Wenn sie unbeschädigt wäre, säße ich jetzt mit meinen Freunden daheim in Hordaland beim Ale.»
    Das Schiff lag mit Schlagseite in einem versandeten Wasserlauf. Wayland blickte zu dem See zurück. «Die bringst du nie wieder hier weg. Das Wasser ist zu flach.»
    «Nicht flacher als an dem Tag, an dem ich sie hierhergeschafft habe. Sie hat ohne Ladung weniger als zwei Fuß Tiefgang. Davon abgesehen schaust du in die falsche Richtung.» Snorri deutete mit seinem Armstumpf auf die gegenüberliegende Seite. «Der Fluss liegt nur ein klitzekleines Stück weiter da vorne.»
    «Wie viele Männer brauchst du zum Rudern?»
    «Oje, o weh, dieser Mann hat nicht die blasseste Ahnung von Schiffen. Das ist ein Segelschiff, du Holzkopf. Bei günstigem Wind kann ich ganz allein bis nach Norwegen segeln.»
    «Und wenn der Wind nicht günstig ist?»
    «Zur Not vier Ruderer, sechs wären besser. Über acht würde ich mich auch nicht beschweren.»
    «Kann man das Schiff reparieren?»
    Snorri strich stolz über den Rumpf. «Ein Schiff, das so gut gebaut ist wie meine
Shearwater
verkraftet eine Menge, bevor es nicht mehr seetüchtig ist. Sie heilt beinahe von selbst, genau wie ein lebendes Wesen.»
    «Und wie lange dauert die Reparatur?»
    «Immer langsam. So weit sind wir noch lange nicht.»
    «Sag mir einfach, was getan werden muss.»
    Snorri zwirbelte seinen schmutzigen Bart. «Erst mal braucht man Eichenholz für die neuen Planken. Und zwar nicht irgendeine alte Eiche, sondern einen Baum, der zweihundert Jahre lang auf Lehmgrund gewachsen ist und dessen Holz grün gespalten wurde. Außerdem müssen die Plankenverbindungen mit ölbehandelten Nieten gemacht werden, die bei schwerer See etwas nachgeben. Ein Schiff ist wie ein Pferd. Du willst, dass es dir gehorcht, egal, wie anstrengend der Ritt ist. Außerdem wär ein neues Segel aus dichtgewebter Wolle oder Leinen nötig. Es gibt guten Flachs aus Suffolk, aber die Wolle aus Norfolk ist haltbarer. Man müsste die Kalfaterung überprüfen, und dann noch …»
    «Wie viel?»
    Snorri saugte schmatzend Spucke zwischen seinen Zahnlücken an. «Material und Arbeit, damit wärst du so bei sechzehn Pfund.»
    «Sei still.»
    Snorri zuckte zusammen. «Es käme natürlich darauf an, wohin du willst. Aber wenn’s übers Meer gehen soll, bringt es nichts, an allen Ecken und Enden zu sparen. Diese Pennies bereust du, sobald es ein bisschen Seegang gibt. Aber wenn du nur an der Küste entlang willst, ginge es vielleicht auch mit Kiefernplanken, und …»
    «Ich habe gesagt, sei still.»
    Der Hund hatte die Ohren aufgestellt.
    «Das ist nur ein Moorochse», sagte Snorri. «Eine Menge Sumpfvögel hören sich beinahe menschlich an. Aber ich sag dir, es gibt Stellen, um die sogar Snorri Snorrason nach dem Dunkelwerden einen Bogen macht, wo die Seelen irrlichtern und der Laternenmann unterwegs ist.»
    «Bring mich zurück.»
    Nun hörte auch Snorri die Rufe. «Du hast nicht gesagt, dass du noch mehr Fremde mitgebracht hast.»
    Drei Männer warteten bei Snorris Hütte – Hero, Richard und ein stämmiger, bärtiger Mann, den sie als Führer angeheuert haben mussten.
    Hero war in Weltuntergangsstimmung. «Wir sind am

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