Der Thron des Haryion
ins Leere ging, so schien er doch seine Umgebung wahrzunehmen.
Es fiel ihm schwer, den Mund zu bewegen. Ein abgehacktes Stöhnen drang über seine Lippen.
Die Haryien verstummten.
Jetzt hob Mythor den Kopf, sah erst Tertish durchdringend an und dann Burra.
»Fronja hat recht, wenn sie euch den Kampf verweigert«, begann er leise und stockend. »Jedes Blutvergießen wäre sinnlos und würde nichts an meiner neuen Aufgabe ändern. Darum bitte ich euch, bewahrt die Ruhe, laßt die Schwerter in den Scheiden.«
»Du sprichst, als hättest du dich schon mit allem abgefunden«, brauste Burra auf. »Hast du vergessen, was deine Ziele waren?«
Für eine Weile herrschte Schweigen.
»Ich«, erklärte Mythor dann tonlos, »bin der neue Haryion der Nesfar.«
»Du? Ein Mann wie Caeryll. Was immer dich in diesen Bann zieht, wehre dich dagegen, oder du verlierst meine Achtung.«
»Tausend Haryien werden meinem Befehl gehorchen, Burra von Anakrom. Du fragst dich, was mit mir geschehen ist? Ich beginne nun erst, mein Dasein richtig zu begreifen. Meine Sinne sind andere geworden. Was ich heute sehe, ist wie die Helligkeit des Tages im Vergleich mit der Morgenröte; was ich höre, ist so unbeschreiblich, daß Worte niemals dafür ausreichen werden.«
»Magie«, stellte Gerrek fest. »Du darfst dich ihr nicht widerstandslos überlassen.«
Mythor erwiderte nichts darauf.
»Robbin«, wandte Burra sich an den Pfader. »Unternimm wenigstens du etwas.«
»Was kann ich schon tun?« Es klang resignierend.
Burra schlug sich mit der Faust an den Brustharnisch.
»Kämpfen!« rief sie. »Für etwas, was man nicht freiwillig aufgibt.«
»Dann setze dich für die Nesfar ein«, forderte Mythor. »Die Zaron greifen erneut an, und Asmilais Heer benötigt Unterstützung.«
»Ausgerechnet für sie den Kopf hinhalten«, stöhnte Burra. »Wie kämen wir dazu?«
»Weil Mythor es wünscht«, ließ Fronja vernehmen.
»Er ist nicht mehr Herr seines eigenen Willens. Woher will er überhaupt wissen, daß…«
»Einem Haryion ist vieles offenbar, was anderen verborgen bleibt«, unterbrach der Sohn des Kometen. Seine Stimme klang frei von jeder körperlichen oder seelischen Regung. »Du, Burra, wirst meine Anordnung befolgen und zusammen mit deinen Amazonen und einem kleinen Haryienheer einen Ausfall in östlicher Richtung unternehmen. Ziel ist es, eine der Zaron gefangenzunehmen und zu verhören. Finde heraus, wer hinter dem Angriff steckt.«
»Es ist dein Wunsch?«
»Ich verlange es von dir, Burra, weil ich weiß, daß du die Fähigkeiten besitzt, die Nesfar schnell zum Sieg führen.«
»Glaube nicht, daß ich deshalb vergessen werde, über deine Befreiung nachzusinnen.«
Unentwegt starrte Burra den Thron an. Sie schrak zusammen, als Fronjas Hände sie berührten.
»Du hast gehört, Kriegerin der Zaem, was Mythor fordert.«
»Ja, bei allem Dämonen der Schattenzone. Ich werde diesem verräterischem Pack beistehen. Und du, Tochter des Kometen, begleitest du uns?«
Fronja schüttelte den Kopf.
»Mein Platz ist hier«, sagte sie tonlos.
*
Lautlos huschte Scida die Treppe empor. Die vier Kriegerinnen, Heeva, Lankohr und Siebentag folgten ihr auf dem Fuß.
An Deck war alles ruhig. Nur aus der Ferne drang das schrille Kreischen von Haryien herüber. Auf einen flüchtigen Wink hin verteilten sich die Amazonen entlang der Reling.
»Asmilai könnte uns an Bord der Phanus aushungern«, wisperte Heeva. »Außerdem sind wir zu wenige, um einem massiven Angriff lange standzuhalten.«
»Zum Glück sind wir jetzt gewarnt«, erwiderte Lankohr ebenso leise.
Scida spähte über die Reling hinab. Im nächsten Moment deutete sie nach unten, wandte sich halb um und legte einen Finger an die Lippen. Sie schickte sich an, über den hölzernen Aufbau hinweg zu den Ansatz eines der Steuerfächer zu klettern. Langsam ließ sie sich dann in die Hocke sinken und zog das kürzere Schwert.
In dem Augenblick, in dem die Haryie unter ihr aufmerksam wurde, sprang Scida. Wie ein Blitz zuckte ihre Klinge durch die Luft und trennte den Kopf des Vogelweibs vom Rumpf.
In der Höhle, in der die Phanus lag, hielt sich keine weitere Gegnerin auf. Scida winkte den anderen, ihr zu folgen.
Lankohr deutete auf den düsteren Gang im Hintergrund.
»Versuchen wir, von hier aus in den Stock einzudringen«, schlug er vor. »Damit werden die Nesfar am allerwenigsten rechnen. Ich habe gehört, wie Asmilai zu Mythor sagte, dieser Aufstieg sei nicht für uns geschaffen.«
»Dann
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