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Der Thron des Haryion

Der Thron des Haryion

Titel: Der Thron des Haryion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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ab. Trotzdem hatte sie innerhalb kürzester Zeit den Stock zur Hälfte umrundet. Die anderen, ihnen zum Teil weit voraus, wechselten bereits die Richtung.
    Das Schwarz wand und drehte sich, als wolle es nach den Amazonen schlagen. Fasziniert betrachtete Burra diese Erscheinung und das spinnennetzartige Gebilde, in dem der Tunnel mündete. Was immer es darstellte, die Ausstrahlung des Bösen war unverkennbar.
    Dann verschwand der Westanker im Dämmer der Schattenzone. Die Felseninsel konnte man ohnehin nur noch erahnen. Viele Fragen brannten Burra auf der Zunge. Aber sie schwieg. Lieber hing sie trübsinnigen Gedanken nach, als mit der Haryie mehr Worte zu wechseln als unbedingt erforderlich.
    Eine Staubwolke trieb vorüber. Burra glaubte, schemenhafte Bewegungen erkennen zu können, doch zu schnell entfernte sich die Nesfar mit ihr. Einzig das Brodeln des Schlundes war die ganze Zeit über sichtbar. Daran, daß sie ihn nun wieder vor sich sah, erkannte Burra, daß die Haryien erneut die Richtung geändert hatten.
    Irgendwann tauchte der Felsanker aus der Düsternis auf. Nicht nur Burra war froh, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Aber Gerrek übersah sie geflissentlich und wandte sich ab, als sie ihm nahe kam.
    Der Ostanker war ein ödes, zerklüftetes Stück Fels, von düster strahlenden Gesteinsadern durchzogen. Unzählige Schluchten und Höhlen taten sich auf.
    »Habt die Augen überall!« warnte Burra. »Vor allem achtet darauf, daß uns die Zaron nicht von oben her angreifen.«
    Einen gangbaren Weg durch diese Geröllwüste zu finden, war schwer. Trotzdem verbot es sich von selbst, Hindernisse zu überfliegen. Burra wollte die Gegnerinnen nicht auf diese Weise aufmerksam machen.
    Nach einem schmalen Saumpfad ging es steil in die Tiefe. Zu beiden Seiten wuchsen hohe Wände auf. Der Durchlaß wurde schließlich so eng, daß man sich nur mit Mühe hindurchzwängen konnte. Eine Nesfar, sie hieß Serdain, übernahm die Führung. Burra folgte ihr wortlos; dann kamen Tertish und die anderen. Den Schluß bildeten zwei Amazonen.
    Als die Felsen zurückwichen, geschah es, daß unvermittelt zwei Haryien heranstürzten. Burra fand gerade noch Zeit, Dämon hochzureißen, bevor ihr ein Schwingenpaar ins Gesicht schlug. Blindlings packte sie mit der freien Hand zu, bekam Federn zu fassen und zerrte an dem Flügel, während die Klinge jäh auf Widerstand stieß. Ein gellendes Kreischen antwortete ihr.
    Abermals schlug Burra zu, brachte die Angreiferin damit zu Fall und schwang sich über sie hinweg. Die zweite Zaron-Haryie und Serdain wälzten sich ineinander verschlungen zu Boden. Mit Schnäbeln, Fängen und Klauen hackten sie aufeinander ein.
    Burra wollte mit dem Knauf ihres Schwertes zuschlagen, als die Angreiferin sich unvermittelt aufrichtete und sie ansprang. Mitten in der Bewegung wirbelte die Amazone herum, und Dämon drang tief in den Oberkörper der Zaron ein.
    »Danke«, sagte Serdain, sich schwankend aufrichtend. Aber Burra winkte ab.
    »Glaube nicht, daß ich für euch kämpfe, oder weil mir euer Wohlergehen besonders am Herzen liegt. Ich tue es für Mythor – und für niemanden sonst.«
*
    Er fühlte wie im Traum.
    Alles schien so unwirklich. Und doch – wenn er die Augen aufschlug, stellte er fest, daß es Realität war.
    Er sah Haryien auf den Trittstangen entlang der Wände kauern, regungslos, als wären sie aus Stein gehauen. Andere wieder hatten sich in der Mitte des Gewölbes versammelt und redeten lebhaft aufeinander ein.
    Die neue Brut muß geschützt werden. Das ist es, was sie so erhitzt.
    Er achtete kaum auf die lautlosen Stimmen in seinem Innern. Sein Blick wanderte weiter, blieb schließlich an zwei Wesen haften, die er kannte. Nur erinnerte er sich nicht sofort an ihre Namen.
    Bald wirst du vergessen lernen.
    Ein Mann und eine Frau waren es.
    Sie – von makelloser Schönheit wie selten ein Weib. Allein ihr Haar schimmerte wie Gold im Schein der Sonne.
    Er – von Kopf bis Fuß eingewickelt in Bandagen wie eine Mumie. Im Vergleich zu seinem dünnen Körper wirkte der Kopf groß. Auffallend waren die Spitzohren, der vorspringende Mund und vor allem die großen, roten Augen mit den schwarzen Punkten darin.
    Wieso quälst du dich? Als Haryion hast du andere Aufgaben zu bewältigen.
    »Mythor«, sagte die Frau mit angenehmer, leiser Stimme. »Wenn du mich verstehen kannst, gib mir ein Zeichen.«
    Sein Herz begann heftiger zu schlagen. Bei allen Göttern Gorgans, dachte er, sie

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