Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition)
abwärts sausten, hörte Myron ferne Schreie. Gespannt verfolgte er, wie die Berittenen sich in drei Gruppen aufteilten. Eine blieb auf der Straße, und die anderen beiden flankierten sie rechts und links. Das Hauptaufgebot rückte jetzt zügig voran.
***
Als sie das Horn hörten, führten Mason Grumon und Dixon Taft ihre Scharen – praktisch die ganze Unterstadt – die Schiefe Straße hinauf. Es war das Zeichen, das sie auf Royces und Hadrians Geheiß hin abgewartet hatten – das Signal zum Angriff.
Seit die beiden Diebe sie mitten in der Nacht geweckt hatten, waren Grumon und Taft damit beschäftigt gewesen, den Widerstand in der Unterstadt von Medford zu organisieren. Sie hatten die Information verbreitet, dass der Großherzog König Amrath hatte ermorden lassen, dass die Prinzessin unschuldig und der Prinz auf dem Weg nach Medford war. Diejenigen, die nicht aus Loyalität oder Gerechtigkeitsempfinden reagierten, lockte die Chance, sich an denen da oben einmal in ihrem Leben rächen zu können. Es war nicht schwer, die Armen und Unterdrückten dafür zu gewinnen,sich gegen die Soldaten zu erheben, die sie schikanierten. Und manche hofften natürlich auf die eine oder andere Gelegenheit zum Plündern oder vielleicht auch auf eine Belohnung seitens der Krone, für den Fall, dass sie siegten.
Sie waren mit Mistgabeln, Äxten und Knüppeln bewaffnet und hatten sich Behelfspanzer gebastelt, indem sie sich unter der Kleidung umschnallten, was sie an dünnerem Metall finden konnten. In den meisten Fällen war es darauf hinausgelaufen, dass sie die Backbleche ihrer Ehefrauen umfunktionierten. Sie waren viele, wirkten aber, was ihre Schlagkraft anging, ziemlich kläglich. Gwen hatte das Handwerkerviertel mobilisiert, das nicht nur kräftige Handwerker, sondern auch ein paar Schwerter, Bogen und Rüstungsteile mitbrachte. Da alle Stadtwachen auf oder vor der Mauer postiert waren und die Bewohner des Adelsviertels so gut wie geschlossen der Gerichtsverhandlung beiwohnten, war niemand da, der sie daran hätte hindern können, sich offen zu organisieren.
Mason marschierte mit Dixon an seiner Seite an der Spitze der gemeinen Leute, in der einen Hand seinen Schmiedehammer und in der anderen einen roh zurechtgehämmerten Schild, den er am Morgen fabriziert hatte. Alles, was er jahrelang hinuntergeschluckt hatte, stieg nun in ihm empor. Der Zorn auf die, die ihm sein einstiges Leben genommen hatten, übermannte ihn. Als er die Abgaben auf die Werkstatt seines verstorbenen Vaters nicht mehr hatte zahlen können, war der Stadtschulte mit seinen Wachen gekommen. Als Mason sich geweigert hatte, die Werkstatt zu verlassen, hatten sie ihn bewusstlos geprügelt und in die Gosse der Schiefen Straße geworfen. Für Mason trugen an fast allem Unglück in seinem Leben die Stadtwachen die Schuld. Unter ihren Schlägen hatten seine Schultern Schaden genommen, und noch Jahredanach war das Schwingen des Schmiedehammers so schmerzhaft gewesen, dass er nur wenige Stunden am Tag hatte arbeiten können. Das und seine Spielleidenschaft hatten ihn daran gehindert, aus der Armut wieder herauszukommen. Natürlich betrachtete er nie das Glücksspiel als das eigentliche Problem: Schuld waren allein die Wachen. Für ihn war es ohne Belang, dass die Soldaten und der Schulte, die ihn damals zusammengeschlagen hatten, gar nicht mehr im Dienst waren. Der heutige Tag war seine Chance, sich zu rächen und das, was er erlitten hatte, in gleicher Münze zurückzuzahlen.
Dixon und er waren keine Krieger, ja noch nicht einmal besonders athletisch, aber sie waren bullige Männer mit breitem Brustkasten und Stiernacken, und die Menge lief tatsächlich hinter ihnen her, als ob die Bewohner der Unterstadt Medford mit einem Ochsengespann umpflügten. Über die Schiefe Straße marschierten sie praktisch ungestört ins Hohe Viertel. Verglichen mit der Unterstadt war es eine andere Welt. Die Straßen waren in dekorativen Mustern gepflastert und von eisernen Pferdepfählen gesäumt. Straßenlaternen und geschlossene Abwasserrinnen bezeugten, dass für den Komfort der wenigen Privilegierten kein Aufwand zu groß war. Das Zentrum des Hohen Viertels bildete ein großzügiger Platz, dominiert vom mächtigen Essendon-Brunnen mit einer Statue König Tolins auf einem steigenden Pferd über den anmutigen Wasserfontänen. Am Platz erhob sich die Mares-Kathedrale mit ihren hohen Türmen, die die melodisch läutenden Glocken beherbergten. Mason und Dixon führten den Zug
Weitere Kostenlose Bücher