Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition)
vor.
»Pfeile werden deine Stadt nicht erobern.«
Alric nickte ernst. »Dann die Ritter – schickt sie vor.«
»Marschall!«, rief der Graf. »Befehlt der Reiterei, diese Linie zu durchbrechen!«
Stattliche Männer in glänzender Rüstung gaben ihren Rossen die Sporen und preschten vorwärts, über sich flatternde Banner. Schnee wirbelte auf und verschluckte sie, aber Alric hörte ihren Hufdonner.
Das Aufeinanderprallen war grässlich. Alric fühlte es im gleichen Maß, wie er es hörte. Metall kreischte, Männer brüllten, und bis zu diesem Moment hatte Alric gar nicht gewusst, dass Pferde schreien konnten. Als sich die Wolke aus Schnee legte, konnte der Prinz das blutige Spektakel endlich auch sehen. In den Gräben verkeilte Speere bohrten sich Reiternund Rössern in die Brust. Pferde brachen zusammen, und Ritter fielen zu Boden, wo sie wie auf dem Rücken liegende Schildkröten darum rangen, wieder auf die Beine zu kommen. Die Spießträger zogen kurze Schwerter und stießen von oben zu, rammten die scharfen Spitzen in Sehschlitze und in die Schwachstellen der Rüstung unter den Achseln oder in der Leistengegend.
»Es läuft nicht so, wie ich es mir erhofft habe«, beklagte sich Alric.
»Das ist bei Schlachten kaum je der Fall«, erklärte ihm Pickering. »Aber damit muss man als König nun einmal umgehen. Eure Ritter sterben. Wollt Ihr sie ihrem Schicksal überlassen?«
»Soll ich die Fußsoldaten angreifen lassen?«
»Ich an Eurer Stelle würde es unbedingt tun. Ihr müsst eine Bresche in diese Mauer schlagen, und es ist besser, Ihr tut es, ehe Eure Männer Euch für unfähig befinden und in den umliegenden Wäldern verschwinden.«
»Marschall!«, brüllte Alric. »Marschall Garret, schickt sofort die Fußsoldaten nach vorn!«
»Jawohl, Sire!«
Ein Horn erscholl, und die Männer stürmten mit Gebrüll ins Getümmel. Alric sah jetzt überall Stahl in Fleisch schneiden. Die Fußsoldaten schlugen sich besser als die Ritter, aber die geschütztere Position der Verteidiger forderte ihren Zoll. Alric konnte kaum noch hinschauen. Noch nie hatte er einen solchen Anblick ertragen müssen – so viel Blut. Der Schnee war jetzt nicht mehr weiß, sondern rötlich und an einigen besonders hart umkämpften Stellen dunkelrot. Überall lagen Körperteile – abgetrennte Arme, gespaltene Köpfe, abgehackte Beine. Der Wall von Männern verschmolz zu einer einzigen wirbelnden Masse aus Fleisch, Dreck und Blut und einerendlosen Kakophonie von Schreien.
»Ich kann nicht fassen, was da passiert!«, sagte Alric und klang so elend, wie er sich fühlte. »Das ist meine Stadt. Das sind meine Leute. Meine Männer!« Er wandte sich Graf Pickering zu. »Ich töte meine eigenen Männer!« Er zitterte jetzt; sein Gesicht war rot, und Tränen standen ihm in den Augen. Er zuckte unter den grässlichen Schreien zusammen und quetschte seinen Sattelknauf, bis seine Hand schmerzte. Er fühlte sich so hilf los.
Ich bin jetzt König .
Er fühlte sich nicht wie ein König. Er fühlte sich so wie auf der Straße unweit der SILBERNEN KANNE , als diese Männer sein Gesicht in den Dreck gepresst hatten. Die Tränen liefen ihm jetzt über die Wangen.
»Alric! Lasst das!«, zischte ihn Pickering an. »Die Männer dürfen Euch nicht weinen sehen!«
Wut flammte in Alric auf und er fuhr den Grafen an: »Ach, nein? Dürfen sie nicht? Schaut sie Euch doch an! Sie sterben für mich. Sie sterben auf meinen Befehl! Ich finde, sie haben das Recht, ihren König zu sehen! Sie alle haben das Recht, ihren König zu sehen!«
Alric wischte sich die Tränen von den Wangen und nahm die Zügel auf. »Ich bin es leid. Ich bin es leid, mein Gesicht in den Dreck drücken zu lassen! Ich dulde es nicht mehr. Ich bin es leid, hilf los zu sein. Das ist meine Stadt, erbaut von meinen Vorfahren! Wenn meine Leute sich dafür entscheiden zu kämpfen, dann sollen sie bei Maribor wissen, dass ich es bin, gegen den sie kämpfen!«
Der Prinz setzte seinen Helm auf, zog das mächtige Schwert seines Vaters und trieb sein Pferd vorwärts, nicht auf den Graben, sondern auf das Tor selbst zu.
»Alric, nicht!«, rief ihm Pickering nach.
***
Mason stürmte los und ließ seinen Hammer auf den behelmten Kopf des nächststehenden Wachsoldaten niedersausen. Mit einem befriedigten Grinsen nahm er das Schwert des Mannes an sich und blickte dann auf. Die Scharen hatten jetzt das Haupttor der Stadt erreicht. Das viertürmige Vorwerk aus grauem Stein ragte vor ihnen auf wie ein
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